Alpengrollen: Kriminalroman
selbst auch. Aus purer Solidarität.
»Stimmt schon, Moni. Normalerweise würde ich dir da auch recht geben. Aber sie hat vorgestern noch gesagt, dass sie sich morgen, also, von heute aus gestern, wieder melden will. Und wenn Sabine so was sagt, dann kann man sich hundertprozentig auf sie verlassen. Schon immer. Volljährig hin oder her. Verstehst du?« Mit zittrigen Fingern nahm Anneliese ihren Schnaps in die Hand. Hob ihn zum Mund. Prostete Monika zu. Und schluckte den Inhalt todesmutig in einem Sitz hinunter.
»Bäh!«, stieß sie aus, sobald sie wieder reden konnte. »Und das trinken die Männer hier andauernd zum Bier. Das ist ja ekelhaft. Ja, pfui Teufel!« Sie schüttelte angewidert ihren blonden Pagenkopf.
»Jeder hat seinen persönlichen Geschmack, Annie. Bei den Männern wie bei den Getränken. Stimmt’s?« Monika liebte ihren Obstler. Sie bekam ihn direkt von einem privaten Erzeuger in der Südsteiermark, den sie und Max kennengelernt hatten, als sie vor drei Jahren im Herbst zum Wandern dort waren. Kopfschüttelnd über Annelieses anhaltende Grimasse grinsend, räumte sie die leeren Gläser rüber zu ihrer neuen Edelstahlspüle.
»Wenn du damit jetzt auf meinen Ex anspielen willst, gebe ich dir recht. Die Ehe mit Bernhard war ein sauberer Griff ins Klo. So ein unsäglicher Egoist! Lässt der mich und seine Tochter einfach sitzen.« Anneliese starrte angesichts der Erinnerung an diese unerfreuliche Episode in ihrem Leben einen kurzen Moment lang konzentriert ins Leere.
»Wegen mir wäre es mir ja egal«, meinte sie dann. »Ich suche mir schon was Neues. Alles, was noch kommt, kann ja nur besser werden. Aber Sabine hätte ihn bestimmt noch ein paar Jahre gebraucht. Er müsse sich jetzt endlich mal selbst verwirklichen! Am liebsten auf seiner Segeljacht! Dass ich nicht ganz laut lache! Hat man so einen Schmarrn schon gehört? Egal. Aus, vorbei, vergessen. Sabine und ich kommen schon alleine klar. Mein Gott. Hoffentlich ist ihr nichts passiert. Könntest du mir bitte einen Espresso machen? Der Geschmack von diesem Schnaps im Mund ist unerträglich.« Sie schnäuzte noch einmal beherzt in ihr Taschentuch. Immer, wenn ihr einfiel, dass sie ja eigentlich jedes Recht hatte, nach wie vor wütend auf Bernhard zu sein, fühlte sie sich gleich etwas besser. Egal, weswegen es ihr vorher schlecht gegangen war.
»Klar mach ich dir einen Kaffee. Und wegen Sabine können wir ja gleich noch Max fragen. Der zieht sich oben gerade was Trockenes an.« Monika drehte sich um und setzte die Espressomaschine in Gang.
»Was? Max ist da? Ja, super. Der kann mir doch bestimmt weiterhelfen. Der war doch jahrelang bei der Kripo. Mein Gott! Den habe ich in der Aufregung ja ganz vergessen.« Endlich. Ein kleines Licht am Ende des Tunnels. Annelieses Körper straffte sich.
»Na, siehst du. Jetzt trink erst mal deinen Kaffee. Und dann sehen wir weiter.« Monika stellte ihr den dampfenden Espresso und die bemalte Zuckerdose aus Italien hin, die sie vor Jahren vom Markt in Pesaro mitgenommen hatte.
»Danke, Moni. Lieb von dir.« Anneliese hob die winzige Tasse zum Mund und schlürfte in kleinen Schlucken. Doch es half nicht viel. Die Reste des hochprozentigen Klaren klebten ihr immer noch wie Holzleim auf der Zunge. Während sie weitertrank, kam Max die Kellertreppe neben der Küche heraufgepoltert. Als er oben war, drehten sie sich kurz nach ihm um und Monika prustete laut los.
»Ja, um Himmels willen! Wo hast du das denn her?«, rief sie entsetzt.
Selbst Anneliese konnte trotz ihrer Sorgen ein breites Grinsen nicht unterdrücken. Vor ihnen stand ein fescher, knapp über 50-jähriger Herr in grauen Knickerbockern, farbigen Wollkniestrümpfen, braunen Filzpantoffeln und einem uralten, aber auf wundersame Weise immer noch intakten roten Skipulli. Ein Bild von einem Mann. In den 30er-Jahren hätte Max in diesem Outfit unter Garantie jeden Schönheitswettbewerb für Herren gewonnen, wenn es einen solchen damals schon gegeben hätte.
»Wieso? Es steht mir doch hervorragend. Das nehme ich morgen nach Kitzbühel mit. Das ist perfekt fürs Wellnesshotel. Servus, Annie.«
»Servus, Max.«
»Geh, hör doch auf zu spinnen. Damit gehst du nirgends hin. Das riecht ja alles total muffig. Aber jetzt sag doch endlich. Wo hast du das Zeug denn gefunden?« Monika konnte immer noch nicht aufhören zu gackern. Sie stand rückwärts gegen den Tresen gelehnt und hielt sich mit beiden Händen den Bauch.
»In deiner alten Truhe neben dem
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