Alpengrollen: Kriminalroman
mal, sich auf jeden Fall in Kitzbühel nach Sabine umzusehen. Sie solle sich keine Sorgen mehr machen und lieber versuchen zu schlafen, gab er ihr auch noch mit auf den Weg.
Mit der Zeit füllte sich das kleine Lokal. Und jeder nasse Neuankömmling lachte sich zuerst einmal über den bayerischen Hercule Poirot in Filzpantoffeln kaputt. Der Herr Exkommissar Raintaler hinter dem Tresen sah auch zu komisch aus. Klar, dass es wieder mal ein höchst amüsanter Abend wurde in ›Monikas kleiner Kneipe‹. Zu fortgeschrittener Stunde holte Max Monikas Westerngitarre aus der Wohnung über dem Lokal und gab, wie er das ab und zu gerne tat, ein paar seiner persönlichen Lieblingsstücke zum Besten. Melancholische Songs wie ›Crossroads‹ von Calvin Russel oder ›Hurt‹ von Johnny Cash und ein paar schnellere wie ›Am I Wrong‹ von Keb’ Mo’ oder ›I Hear You Knocking‹ von Smiley Lewis. Er interpretierte die lässige amerikanische Blues- und Countrymusic so gefühlvoll, dass es den konzentriert lauschenden Bayern aus der Stadt vor Ergriffenheit die Tränen in die Augen trieb. Entsprechend frenetisch fiel der Applaus danach aus. Wie meistens, wenn Max spielte.
Als die Gäste auf dem Nachhauseweg waren, half er Monika noch beim Aufräumen, umarmte, herzte und küsste sie zum Abschied und ging ebenfalls heim. Zügig. Ohne einen der üblichen Umwege einzuschlagen, die ihn sonst noch oft in weitere Lokalitäten führten, wie zum Beispiel in die Pilsbar gleich bei ihm ums Eck. Nichts da. Morgen war es schließlich so weit. Sein erster Wellnessurlaub mit integriertem Sportprogramm stand an. Da wollte er auf jeden Fall zeitig aufstehen, um zu packen, seine neuen Ski und die Skischuhe aus dem Keller zu holen und den guten alten Dachständer auf seinen guten alten R4 zu schrauben. Hoffentlich ist Sabine nicht doch etwas passiert, dachte er, bevor er einschlief. So lange überhaupt nicht erreichbar zu sein, ist ja schon sehr merkwürdig. Herrschaftszeiten. Aber das sagt man einer besorgten Mutter als alter Profi natürlich nicht.
4
Der feuchte Schnee klatschte so unerbittlich gegen die Frontscheibe, dass die abgenutzten Wischblätter nicht mehr mit ihrer Arbeit nachkamen.
»Warum vergesse ich eigentlich jedes Mal, die Scheißdinger endlich auszutauschen?«, grantelte Max genervt. Er konnte die Lichter seines Vordermannes kaum erkennen.
Kurz vor dem Irschenberg war er, wie schon so oft an dieser neuralgischen Stelle der A8, im Stau gestanden. Aber nachdem er dann ein paar Kilometer weiter in die A93 Richtung Kufstein eingebogen war, kam er relativ flott voran. Schon bald würde er die Grenze hinter sich lassen. Dann Kufstein Süd raus und auf der Landstraße weiter bis nach Kitzbühel. Bevor er in sein Hotel eincheckte, würde er aber erst noch nach St. Johann weiterfahren und dort auf jeden Fall gleich mal wegen Sabine nachfragen. Versprochen war schließlich versprochen. Und wenn er ganz ehrlich war, hatte ihn außerdem bereits der alte Jagdtrieb wieder gepackt. Schon gestern, als Anneliese von Sabines Verschwinden erzählt hatte.
Die Lautstärke des Radios fuhr automatisch hoch. Der Verkehrsfunk meldete sich zu Wort. »Die Autofahrer Richtung Kufstein und Brenner werden gebeten, vor Tiefenbach langsam zu fahren. Stau wegen einer Baustelle bis Kufstein Süd.«
»Herrschaftszeiten, was soll denn das schon wieder? Eine Baustelle mitten im Winter. Ausgerechnet! Jedes Mal derselbe Schmarrn, wenn man in die Berge fährt. Egal, wo. Egal, wann«, haderte er sauer.
Einen knappen Kilometer lang konnte er noch mit normaler Geschwindigkeit weiterfahren. Dann musste er abbremsen. Und stand. Ende Gelände. Normalerweise konnte man von hier aus immer schon einen Blick auf das Kaisergebirge erhaschen. Heute nicht. Keine Berge zu sehen. Nicht einmal die, die ganz in der Nähe standen. Nur neblige Suppe rund um ihn herum. Wenn die Baustelle wirklich erst hinter Kufstein ist, wie es das Radio gerade gemeldet hat, dauert es ja ewig, bis ich da ankomme. Das sind ja locker noch 20 Kilometer bis dorthin. Vielleicht sollte ich lieber gleich hier bei Tiefenbach rausfahren und auf der Landstraße mein Glück versuchen. Über Oberaudorf, Kiefersfelden. Sonst erfriere ich hier am Ende noch. Wer weiß?
Gedacht, getan. Er startete unter holprigem Stottern den Motor, fuhr auf dem Standstreifen vor bis zur Ausfahrt und war schon bald ungestört auf der Landstraße unterwegs. Den Anlasser werde ich demnächst mal anschauen lassen, schwor er
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