Alpenkasper
klar machen, dass mit uns nicht zu spaßen ist. Bringen Sie ihn nicht um, aber sorgen Sie dafür, dass er im Krankenhaus aufwacht. Danach können wir Ihr Aufnahmeritual starten.«
»Ich bin immer noch der Meinung, dass hier ein Missverständnis vorliegt.«
»Ich sehe in Ihnen ein großes Potenzial, Sie könnten mein Vertrauter werden.«
»Wenn das heißt, dass ich Ihnen als Lustknabe zur Verfügung stehen soll, muss ich gleich absagen.«
Der zweite Mann brachte ihn zum Auto und steckte ihm beim Einsteigen einen Hunderter »für die Auslagen« zu.
Jakob musste auf dem Heimweg schwer gegen seine Betrunkenheit ankämpfen. Er brachte Katharina Anzug und Wagen zurück und entschuldigte sich, die Ereignisse des Vormittags hätten ihn reizüberflutet, er brauche Zeit zur Verarbeitung. Daheim legte er sich zu einem ausführlichen Nachmittagsschlaf hin. Nach zwei Stunden holte ihn sein Telefon aus dem Schlaf. Lugner war es.
»Einwandfrei erledigt, sauber und schnell. Willkommen im Verein. Danke.«
Er hatte aufgelegt, bevor Jakob reagieren konnte. Mit einem Schrei schoss Jakob in die Senkrechte und rief seinerseits Katharina an. »Weißt du was von Clemens?«
»Nein. Was soll mit ihm sein?«
»Kannst du ihn für mich mal anrufen?«
»Warum?«
»Einfach fragen, wie es ihm geht.«
»Du bist noch komischer als Birne, aber von mir aus. Bleib dran, ich versuche es auf dem Handy.«
Eine Minute später meldete sie sich wieder: »Er geht nicht ran. Bist du zufrieden?«
»Nicht ganz. Halt mich auf dem Laufenden.«
Jakob kam nicht zur Ruhe. Er durchsuchte die Homepage einiger Zeitungen nach seinem Bild. Der Gewaltsamstag in der Fuggerstadt war überall großes Thema. Das Foto mit ihm drauf war nirgends zu finden. Das Telefon klingelte wieder. Katharina und die Nachricht: »Sie haben Clemens erwischt. Er liegt im Klinikum.«
Jakob hatte Zeit, er war nicht schnell im Lügen. Vor seiner Tür stand ein Riese im Anzug, der sichtlich schon eine Weile getragen wurde. Der Bart des Besuchs bettelte nach Stutzung und die Augen fuhren nervös in den Höhlen umher im Takt der Zunge, die im Maul züngelte, gierig, Neuigkeiten loszuwerden.
Wieso Jakob und dieser Mann, Mike, sich bekannt waren, konnte Mike besser erklären. Jakob wusste es nicht mehr, er wusste, dass er irgendwie angequatscht worden war. Vielleicht war er irgendwo vor Ort, vielleicht sammelte er wahllos Stimmen von Passanten auf der Straße zu einer belanglosen Frage des Tages – zum Beispiel »Wo werden Sie die Fußball-WM verfolgen?« Dafür brauchte man fünf Leute, die sich interviewen und fotografieren ließen, eine dankbare Gelegenheit für einen freien Journalisten, unaufwendig ein paar Zusatz-Euros zu machen. Jakob war vielleicht in der Maxstraße zugange, weil da eine Menge los war und für jeden, der seine Bitte um Auskunft zurückwies, zwei vorbeikamen, die sich ihm anboten. Vielleicht hatte er Mike auch angesprochen, besser aber würde es passen, wenn es umgekehrt gelaufen wäre. Mike setzte an, irgendwas zu erzählen, was sicherlich nichts mit Jakobs Frage des Tages zu tun hatte, und Jakob merkte gerade, dass er Zeit verschwendete, dankte und wollte weiter. Und Mike wollte zumindest noch fotografiert werden.
»Merken Sie sich mein Gesicht. Sie werden noch viel von mir hören.«
Freunde? Was heißt Freunde. Sie konnten einander ganz gut gebrauchen, um hin und wieder gegen die Einsamkeit ein paar Worte auszutauschen. Sie wurden so Sorgen los. Zum Beispiel: Jakob kotzte sich aus darüber, dass man ihn wieder gekürzt hatte, von der vereinbarten Zeilenzahl war nichts bekannt, musste jemand aus Versehen gelöscht haben, deswegen könne man hier nur bezahlen, was abgedruckt und nicht was geliefert worden sei. Mike wusste daraufhin, dass die Medien sowieso alle »gleichgeschaltet sind«. In einer Hand seien alle Zeitungen und Radio- und Fernsehstationen, damit die alle dasselbe druckten und die Masse in Sicherheit wiegten. »Die Meinungsfreiheit ist eine Illusion, sie wollen alle nur unser Geld.«
Mike war einer der wenigen, die Jakob daheim aufsuchten, dem gegenüber sich Jakob nicht genierte für die bescheidenen Verhältnisse, in denen er sein Dasein zu fristen gezwungen war. Mike war unkompliziert, es genügte, ihm ein Glas Leitungswasser anzubieten, das er während ihrer stundenlangen Diskussionen gerade halb leerte, um den Rest dann kurz vor dem Gehen wegzukippen und dabei das Gesicht zu verziehen, als hätte man ihn gezwungen, ein Glas Pisse
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