Alpenkasper
Hochprozentiges. Clemens habe Birne eine Menge zu verdanken; wäre Birne nicht gewesen, wäre Clemens abgerutscht auf eine Drogen- und Verbrecherlaufbahn. Birne sei aber auch froh, Clemens gehabt zu haben. Da sei manche Information geflossen. Nicht jeder bei der Polizei verfüge über so exquisite Kontakte. Birne sei ein erfolgreicher Polizist gewesen. »Mancher wird froh sein, dass er weg ist.«
Katharina bestellte einen Cocktail und konnte danach nicht mehr fahren. Jakob brachte sie heim. Sie wollte diese Nacht nicht allein sein. Jakob blieb.
Recherche
Die blutige Demonstration vor dem Augsburger Theater war großes Thema. Das ominöse Foto mit ihm und Oliver war auch heute nicht in der Zeitung, dafür unter der Überschrift »Splitter« seine Kurz-Interviews und Aufnahmen der Umstehenden.
Die Redaktion rief an: »Tolle Arbeit, Jakob, ist eine schöne Seite geworden. Du warst mittendrin. Ich habe mal wegen der Kohle gefragt. Denen fehlt deine Postanschrift, die brauchen sie, damit sie dir was überweisen, vorher geht leider nichts. Schick uns die doch mal schnell rein, am besten als Mail, dann geht das Geld sofort weg.«
»Mach ich gleich.«
»Hast du heute Zeit? Geh doch noch mal hin ins Theater und fang ein paar Stimmen ein. Da war zwar schon einer von uns für den offiziellen Bericht. Ein paar kleine Elemente kämen aber bestimmt gut auf der Seite.«
»So Splitter?«
»Genau. Suche einfach ein paar Leute, die was zu sagen haben.«
Jakob lachte auf und machte sich auf den Weg.
Franzbein schrie erfreut auf, als er ihn sah. »Der Jakob!« Unaufgefordert stand eine Tasse Kaffee vor ihm. »Warst du schon oben?« Die Kantine erreichte man durch den Seiteneingang.
»Kurz.«
»Sieht wild aus, alles schwarz am Eingang, der Schaden hält sich aber in Grenzen, die Vorverkaufsschalter haben schon wieder geöffnet.«
»Ich frage oben mal jemanden, ich sammle wieder Splitter.«
»War eine schöne Idee heute in der Zeitung, hast du gut gemacht. Nachher kommt der Schultzberg sicher noch vorbei, der will sich für seine Kritik noch auf die Schulter klopfen lassen. Den würde ich auch noch interviewen.«
»Die Kritik war doch ein rechter Verriss«, wusste Jakob.
»Sie entspricht der Stimmung im Haus.«
»Ist dir nichts passiert?«
»Ich habe Zivilcourage gezeigt, nicht wahr?«
»Du warst schnell genug wieder in Sicherheit.«
»Beinahe hätte es mich erwischt. Mit den Dummen ist das Glück.«
»Wie ich sehe, läuft bei Ihnen schon wieder alles im Normalbetrieb«, stellte Jakob gegenüber der Dame im Vorverkauf fest.
»Es riecht halt noch. Baufällig ist der Laden eh. Das Feuer war gar nicht schlecht, dann müssen die von der Stadt hier mal anpacken. Ich warte nur darauf, dass mir eines Tages ein Stück Decke auf den Kopf fällt, gestorben im Dienst der Kultur. Das Einzige, was ich dann noch bedaure, dass ich nicht in München war.«
Jakob schaute zur Decke. »Geht noch, oder?«
»Das sieht nur so aus. Die Fassade sieht so aus, als wäre sie in Ordnung, doch auch die bröckelt.«
»Kaufen die Zuschauer denn schon wieder Karten?«
»Heute brummt der Laden. Vor allem die Karten für die zusätzlichen Vorstellungen von unserem Jugendlichen-Projekt, die wir spontan in unser Programm genommen haben, gehen weg wie Freibier. Wir sind bis Ende Juni ausverkauft. Die Warteliste ist auch schon ewig lang. Die müssen da noch ein paar Aufführungen hinhängen in der nächsten Spielzeit. Ist ja schön, wenn es ankommt.«
In der Kantine saß inzwischen Schultzberg bei einem Weizen und blätterte in der aktuellen Ausgabe der »Neuen Szene«. Jakob setzte sich zu ihm. Ohne ihn anzusehen, bemerkte Schultzberg: »Brecht hat immer recht.«
»Am Donnerstag haben sie auch Brecht zitiert und das hat Ihnen nicht gefallen.«
»Kommen Sie mir nicht mit Donnerstag. Ich will darüber kein Wort mehr verlieren. Wenn wir Kritiker so etwas nicht sofort kaputt schreiben, bedeutet dieser Mist das Ende des Theaters. Dann können wir uns gleich auf der grünen Wiese treffen und Zirkus aufführen.«
»Ich finde es nicht verwerflich, mit Kunst die Welt zu verbessern.«
»Der Schrott verbessert gar nichts. Die Idioten suchen sich irgendeine Randgruppe, die sie auf der Bühne ausstellen können zur Belustigung des Bildungsbürgertums – eine moderne Freakshow. Heute sind es arbeitslose Jugendliche, morgen überschuldete Langzeit-Hartz-IV-Empfänger, übermorgen verarmte Rentnerinnen. Der einzige Unterschied zum
Weitere Kostenlose Bücher