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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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jedenfalls, sah Hoffmann ihn irgendwie besonders, möglicherweise skeptisch an, ja, er grinste dabei sogar versteckt, so schien es ihm wenigstens. „An irgendein Heldentum haben wir überhaupt nicht gedacht“, sagte er. „Es stimmt allerdings“, fügte er hinzu, „wir haben uns über unsere Tricksereien gefreut, vielleicht waren die ja auch zu gewagt und leichtsinnig, aber Heldentum ist uns dabei gar nicht in den Sinn gekommen.“
    „Halten Sie sich nicht an Begriffen fest, das war mehr ironisch gemeint. Ich wollte bloß sagen, Sie sollten sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, wenn es nicht nötig ist.“
    „Und wenn es nötig ist?“ fragte Hans-Peter trotzig zurück.
    „Dann werden Sie’s rechtzeitig erfahren und selbst entscheiden, ob Sie der Not gehorchen wollen oder dem eigenen Triebe“, und Hoffmann lachte dazu. „Sie wissen ja, Sie entscheiden selbst, was Sie sich zutrauen und was nicht. Und jetzt“, fuhr Hoffmann fort, „jetzt warten wir erst mal acht oder zehn Tage ab. Sie bekommen dann rechtzeitig Post von Onkel Otto. Sie kennen das ja.“
    Onkel Otto war ein Westberliner Großonkel Sebastians und unter diesem Pseudonym schickte Hoffmann ihnen in Ausnahmefällen kurze verschlüsselte Nachrichten zu.
    „Also abwarten und sich ruhig verhalten“, schloß Hoffmann das Gespräch ab und erhob sich. „In dieser Zeit“, sagte er, „wird sich auch herausstellen, ob man Ihnen wegen der Demonstration im Spreewald auf den Fersen ist.“ Dann überreichte er Hans-Peter in einem Kuvert die Reisespesen und beide verließen das Lokal.
    Hans-Peter sah noch, wie Hoffmanns untersetzte Gestalt in leichtem hellem Sommermantel sich entfernte und schließlich am Straßenrand ein heranfahrendes Taxi stoppte, einstieg und in entgegengesetzter Richtung entschwand. Im Lokal war es verhältnismäßig kühl gewesen. Nun, auf der Straße, empfing ihn wieder die Wärme dieses Sommertages. Hans-Peter zog sich das Jackett aus und hängte es sich locker über die Schultern. Dann machte er sich auf den Weg Richtung S-Bahnhof Grunewald.
    Im Bahnhof Zoo würde er aussteigen und in der Wechselstube die Reisekosten in Ostgeld umtauschen. Es war im Osten ja verboten Westgeld, ganz gleich in welcher Menge, überhaupt zu besitzen. Statt daß Hoffmann sich über ihre Findigkeit und ihren Mut gefreut hätte, meinte er, gab es nur Vorwürfe und Unverständnis. Der behandelt uns wie seine Handlanger. Und so traf er in leicht verdüsterter Stimmung auch im Lokal ein, in dem Sebastian auf ihn wartete.
    Der Andrang hatte dort etwas nachgelassen. Sebastian saß in der hinteren Ecke allein an einem Tisch. „Mein drittes Bier“, dazu wies er auf ein halbvolles Glas, als Hans-Peter sich neben ihn setzte. „Knapp drei Stunden“, und Sebastian tippte dabei auf seine Armbanduhr.
    „Noch schneller ging’s nicht!“
    „He, he“, sagte Sebastian, lehnte sich zurück und betrachtete den Freund von der Seite. „Was ist los? Hast du Hoffmann nicht angetroffen?“
    „Doch, eben gerade das. Ich habe ihn angetroffen.“
    „Prima! Dann ist ja alles in Ordnung, hat wunderbar geklappt. Ein Grund sich zu freuen.“
    „Das sehe ich nicht ganz so fröhlich.“
    „Was ist denn passiert?“
    „Gar nichts.“
    „Dann verstehe ich deine miese Stimmung nicht. Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“
    „Pi-Pa-Po“, sagte Hans-Peter, „die Laus ist Pi-Pa-Po.“
    „Was denn, Pi-Pa-Po eine Laus? Warum denn das?“
    „Du hättest den mal hören sollen, nur Vorwürfe.“
    „Hat er denn nicht gestaunt, wie wir das gedreht haben?“
    „Nee! Ich war zwar der erste, der offiziell rübergekommen ist, es gab nur noch einen, der über die Spree oder irgendeinen Kanal geschwommen war, aber anerkannt hat er unseren Einsatz nicht. Im Gegenteil, Pi-Pa-Po war über unsere gewagten Eskapaden, wie er das nannte, alles andere als erfreut. Wir hätten besser abwarten sollen, bis die Grenze wieder offen ist, hat er gesagt. Es hätte sich nur ein einziger nicht von uns verblüffen lassen müssen und unser ganzes Kartenhaus wäre zusammengefallen. Und dann vor allem, wenn die Stasi uns suchen sollte, wegen der Demonstration in Lübbenau in der ersten Reihe, auch wenn die uns dann für harmlos halten sollten, müßte Hoffmann sich von uns trennen, sagt er jedenfalls. Wir stehen dann nämlich für immer im schwarzen Buch der Stasi. Er hält es sowieso für unverständlich, wie wir uns der Stasi so hätten anbieten können wie in Lübbenau. Und meinst

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