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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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Flüchtlingslager, ich weiß.“
    „Ja, aber die wiesen uns dort gleich ab. Ich konnte meine Begründung gar nicht erst vorbringen. Anderen ging es genau so wie wir beobachten konnten. Dann fiel uns mein Vater ein, ein alter Parteigenosse“, und Hans-Peter grinste. „Sebastian“, sagte er, „machte ihn gleich zum persönlichen Freund Walter Ulbrichts und nennt so was Köpenickiaden. Da hat einer vor dem anderen Angst, meint er, man muß nur völlig übertrieben auf den Putz hauen und das stimmt ja auch. Wir gingen jedenfalls gleich zum Ostberliner Polizeipräsidium und als die uns auch dort schon am Eingangsschalter abblitzen lassen wollten, erklärte ich, man solle Walter Ulbricht anrufen, einen alten Freund meines Vaters. Ich bestand darauf. Der Vopo wollte dann wohl damit lieber nichts zu tun haben und gab mir schließlich so eine Art Laufzettel, mit dem ich zur Stasi durchgelassen wurde. Ich denke jedenfalls, daß es die Stasi war, so in Zivil. Auf alle Fälle bekam ich dort meinen Passierschein, als ich denen erzählte, daß meine geflüchtete Schwester reumütig zurückkommen wolle und ich ihr dabei helfen müsse, moralisch und auch beim Transport ihrer Sachen und daß auch mein Vater mich geschickt habe, der selber Westberlin nie betreten würde. Also, das hatten wir vorher alles genau so abgesprochen, Sebastian und ich und das klappte ja auch.“
    „Sie sind beide, gelinde gesagt, verrückt.“ Und Hoffmann zündete sich eine Zigarette an. „Genuß ohne Reue“, sagte er beiläufig und wies auf einen weißen Papierfilter am Mundstück, so heißt es wenigstens, eine ganz neue Sache. Vielleicht aber auch bloß eine Illusion …“
    Hans-Peter kannte die Reklame für diese neuen Filterzigaretten.
    „Aber was nun Sie angeht, Sie beide, so leben auch Sie schlicht in Illusionen, wenn Sie glauben, daß Sie mit Ihren Köpenickiaden, wie Sie das nennen, immer durchkommen werden. Ein einziger, der sich nicht verblüffen läßt, kann Ihr ganzes Kartenhaus zum Einsturz bringen. Ein Telefonanruf hätte diesmal bereits ausgereicht.“
    „Das wußten wir schon und davor hatten wir auch Schiß“, räumte Hans-Peter ein. „Man muß dabei aber auch von sich überzeugt sein. Ich war in dem Moment ganz wirklich ein besorgter Bruder, der seine verirrte Schwester aus dem Westen zurückholen wollte. Die haben mir das auch glatt abgenommen. Ich könnte mir sogar morgen, das hat man mir angeboten, noch einen Passierschein abholen, falls dies nötig werden sollte.“
    „Na, nun seien Sie mal bloß nicht so überzeugt von Ihrer Genialität, das kann auch ganz schnell in die Hose gehen. Ein bißchen schizoid ist das ja schon. Mal deutlich gesagt, es wäre besser gewesen Sie hätten abgewartet, bis die Grenze wieder offen ist.“
    „Aber wenn die sie gar nicht mehr öffnen?“
    Hoffmann schüttelte den Kopf. „Das war kurzfristig, ist eine Notmaßnahme. Kann ja sein, daß die an so was denken, vor allem, wenn weiterhin solche Menschenmassen abhauen. Doch das will schon geplant sein. Zur Zeit kann sich das noch keiner so richtig vorstellen. Aber solche verwegenen Aktionen“, dazu drückte Hoffmann seine Filterzigarettenkippe in einen Aschenbecher, auf dem Hans-Peter lesen konnte, daß im Asbach Uralt der Geist des Weins stecke … „Also, die sollten Sie künftig lassen. Das sind Kindereien“, sagte Hoffmann, „Mutproben, damit gefährden Sie nicht nur sich selbst, sondern uns alle. Natürlich, das war schon rotzfrech, wie Sie da vorgegangen sind und Erfolg haben Sie damit immer nur in Diktaturen, auch das ist richtig, von wegen Köpenickiaden. Also, wie gesagt, seien Sie in Zukunft vorsichtiger. Und momentan“, Hoffmann breitete dazu kurz beide Hände aus, „gibt es keinen Auftrag für Sie. Wir warten ab. Es sind beim Aufstand ja eine Menge Menschen umgekommen, teils standrechtlich erschossen, wie zu hören ist. Und viele werden für lange Zeit in Zuchthäusern verschwinden. Sehen wir mal, wie die Russen weiterhin agieren.“
    Hans-Peter erzählte dann noch, daß sie schon nach Berlin gewollt hatten, nachdem sie im RIAS vom Aufstand gehört hatten. „Bis Lübbenau sind wir gekommen“, sagte er, „dann blieb der Zug stehen. Streik hieß es, also nichts mit Berlin.“
    Dann berichtete er vom großen Umzug mit den Bahnern an der Spitze. „Und wir mitten drin in der ersten Reihe. Kein Vopo wagte sich raus, die linsten nur um die Fensterecken. Ein Militärjeep am Straßenrand, die Russen winkten uns zu. Ganz

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