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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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Hause und warten wir einfach ab, bis Onkel Otto sich meldet. Das wird sicher nicht lange auf sich warten lassen.“
    „Na ja“, knurrte Hans-Peter, „wenn die Grenzen wieder offen sind …“
    „Das wird bald sein. Die können das doch nicht ewig so abgesperrt lassen.“
    „Glaub’ das nicht“, entgegnete Hans-Peter, „Pi-Pa-Po hat gesagt, längerfristig will der Nachrichtendienst sich auf so eine ständige Absperrung vorbereiten. Unsere Bonzen machen da schon Pläne, weil dem Osten die ganzen Leute weglaufen. Das ist jetzt schon bald eine dreiviertel Million. Man weiß zwar nicht, wie verbreitet diese Ansicht da oben in Bonn wirklich ist, aber Hoffmann hat das jedenfalls so gesagt. Vielleicht ist es zu großen Teilen auch nur seine eigene Meinung.“
    „Ich schlage vor“, Sebastian trank den Rest seines Bieres aus, „wir machen uns auf den Weg nach Hause. Alles hat schließlich seine Zeit.“

    45.

    Eines Tages erzählte Onkel Jaschek den Lehrlingen während einer Pause beim Kiefernschößlinge pflanzen auf einem weiteren großen Reparationskahlschlag, im Kreisforstamt gäbe es jetzt einen Kulturdirektor.
    „Wozu brauchen wir den denn?“ fragte spontan und zweifelnd der ‘Werchower’, ein neunzehnjähriger breitschultriger Bauernsohn aus Werchow, einem Dorf ganz in der Nähe.
    „Na wegen der Kultur. Das gibt’s doch auch überall in den volkseigenen Betrieben“, versuchte Onkel Jaschek den wohl auch ihm etwas ungewöhnlich erscheinenden Umstand zu rechtfertigen.
    „Aber wo will man denn hier in Kultur machen? Die Leute wohnen verstreut über den ganzen Kreis.“
    „Vielleicht eine Theatergruppe, Dichterlesungen ...?“
    Der Werchower schüttelte den Kopf. „Wer kommt bloß auf so’n Unsinn, ein Kulturdirektor!“
    „Das überlaß mal ruhig denen da oben“, sagte Onkel Jaschek. „Die hohen Herren werden schon wissen, was sie tun.“
    „Einen Scheißdreck wissen die!“
    „Das will ich aber nicht gehört haben“, mahnte der alte Haumeister.
    Der Werchower winkte ab und ging in den nahen Wald pinkeln. Das Interesse daran so plötzlich einen Kulturdirektor zu haben, dessen Funktion niemandem einleuchtete, flaute dann auch rasch ab.
    Das kann sich doch nur um so’n Drückebergerposten für ‘nen verdienten Genossen handeln, meinte Sebastian, vielleicht auch um eine Strafversetzung?
    Doch dann ging es wieder an die Arbeit und der ganze Unsinn mit der überflüssigen Führungspersonalie im Kreisforstamt war schon fast vergessen bis zur nächsten innerbetrieblichen Schulung. Dort in der großen Diele der einstigen Oberförsterei saß neben Forstmeister Hromatnik ein Neuer, ein neues, ein glattes Gesicht, militärisch kurzer Haarschnitt und unter einer grauen Windjacke hatte der, fiel es Sebastian auf, so ein graublaues Hemd an mit silbernen Knöpfen, wie die Polizei es trug. Der hat oder hatte mit der Polizei zu tun, tarnt sich hier als Zivilist und ist auf alle Fälle, meinte Sebastian, mit Vorsicht zu genießen. Hromatnik stellte ihn schließlich vor, den Genossen Cielonka, „unseren Kulturdirektor.“ Niemand fragte natürlich, wozu man den brauche. Solche Fragen stellte man einfach nicht, jedenfalls nicht einem Kreisforstmeister. Keiner wunderte sich besonders, niemand staunte wirklich über diesen Zuwachs.
    Genosse Cielonka hatte nach seiner Vorstellung durch den Forstmeister zwar verallgemeinernd von Kulturarbeit gesprochen, von der Einrichtung einer Bibliothek zum Beispiel und von Filmvorführungen, doch interessierte das niemanden. Wer würde schon wegen möglicher Vorführung von Propagandafilmen, und nur darum konnte es sich ja handeln, seine Freizeit opfern.
    Dieser Kulturdirektor wäre mitsamt seinen verworrenen Vorstellungen von Kulturarbeit schon bald ganz vergessen worden, wenn er nicht mit verbissener Emsigkeit fast überall zugleich aufgetaucht wäre. Einerseits zwischen den Altdöberner beziehungsweise Chransdorfer Waldarbeitern, aber auch zwischen den Lehrlingen, von denen er sich Wurst- und Hackepeterbrötchen zu HO-Preisen aus Altdöbern holen ließ. Sein verspätetes Frühstück, wie er erklärte. Andererseits fiel aber auch sein Auftauchen in allen Altdöberner Gastwirtschaften auf, so daß man ihn für einen stillen Alkoholiker hätte halten können. Daß dies jedoch mitnichten so war erzählten die Wirte den Lehrlingen, wenn diese sich nach ihrem wöchentlichen Fachunterricht in Altdöbern feuchtfröhlich zusammensetzten, mal in dieser, mal in jener Kneipe.
    „Seid

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