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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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du, daß die uns dort fotografiert haben könnten?“
    „Wer denn?“
    „Na, ein Spitzel aus irgendeinem Fenster.“
    „Könnte schon sein“, meinte Sebastian nachdenklich. „Daran haben wir damals gar nicht gedacht.“
    „Eben. Da hat Pi-Pa-Po allerdings recht, das war leichtsinnig. Der will sich ja auch erst in acht oder zehn Tagen wieder melden. Bis dahin würde sich herausgestellt haben, meint er, ob sie uns wegen der Demonstration auf den Fersen sind.“
    „Na ja, ist ja richtig. Was regt dich denn dabei so auf?“
    „Also, du hättest mal hören sollen, wie der mich abgekanzelt hat. Wir würden uns mit unseren Eskapaden nicht nur selbst gefährden, sondern gleich den ganzen Westen mit.“
    „Hm“, Sebastian starrte eine Weile in sein halbleeres Bierglas. „Man könnte es so sehen“, sagte er schließlich. „Mit unseren Köpenickiaden haben wir’s manchmal wirklich schon übertrieben.“
    „Du gibst Pi-Pa-Po recht?“ fragte Hans-Peter mit enttäuschter Empörung in der Stimme.
    „Ich denke da nur mal an unsere Zugkontrolle damals abends im Winter. Davon weiß Hoffmann Gott sei Dank nichts.“
    „Was war denn daran so schlimm?“
    „Nicht schlimm? Das war Amtsanmaßung aus Langeweile. Denk doch bloß mal an diesen Ausweis, meinen GST-Ausweis mit dem dicken roten Querbalken zur Abschreckung, einfach mit Tinte reingezeichnet. Und an dem Abend haben wir’s ja dann ausprobiert. Nichts ist schließlich langweiliger als so’n Bummelzug nachts. Immer wenn wir beim Anfahren die Abteiltür aufgerissen haben, hast du“, wandte er sich an Hans-Peter, „mit deinem arroganten Gesichtsausdruck im hochgeschlagenen Mantelkragen wie die Inkarnation der Stasi leibhaftig ausgesehen. Ich sehe die Leute im Abteil noch vor mir, wie sie dann immer schnell wegguckten und mit den Füßen irgendwelche Taschen weiter unter die Bänke geschoben haben. Das war einfach Angst. Fast alle haben doch ein schlechtes Gewissen, tun Verbotenes, weil ja so vieles auch verboten ist. Die reinste Willkür. Der Zug kam schließlich aus Berlin...“
    „Und dann der Clou“, schwelgte Hans-Peter in der Erinnerung, „nämlich die Schaffnerin, die uns zur Rede stellen wollte und wie du ihr diesen GST-Ausweis kurz unter die Nase gehalten hast.“
    „Nur ganz kurz“, bestätigte Sebastian, „damit sie außer dem dicken roten Balken bloß nichts weiter erkennen konnte. Die war ja dann auch richtig eingeschüchtert als ich ihr noch sagte, daß in Cottbus eine Razzia stattfinden würde. Eigentlich wüßten sie das immer, hat sie noch einzuwenden gewagt.“
    „Ja, natürlich, die hat dich ernst genommen wie du sie so zur Seite geschoben hast, um ihr mit diesem dicken roten Querbalken einen Schrecken einzujagen.“
    „Richtig. Aber denk’ auch mal daran, sie hätte dem Zugführer davon erzählt und der hätte womöglich an irgendeiner Station bei seiner vorgesetzten Stelle angerufen – was dann?“
    „Du hast ihr ja auch nahe gelegt zu schweigen.“
    „Na, Gott sei Dank hat sie sich daran gehalten. Du weißt ja, solche Verscheißerung der Obrigkeit nehmen die hier sauübel. Das nennt sich Verächtlichmachung des Staates, ganz abgesehen von der Amtsanmaßung gibt’s da auch irgend so’n politischen Paragraphen. Wie du siehst, ganz so unrecht hat Pi-Pa-Po nicht. Wenn die uns bei so ‘nem Unsinn schnappen trifft das den Nachrichtendienst auch und damit wirklich den ganzen Westen.“
    Hans-Peter kniff die Lippen zusammen, verzog das Gesicht und wiegte den Kopf. „Pi-Pa-Po behandelt uns wie Befehlsempfänger und nimmt uns nicht ernst.“
    „Ganz so sehe ich das nicht, wir sind ja keine Soldaten. Wir sollten durchaus Wagnisse eingehen, aber nur, wenn’s wirklich unumgänglich ist. Das meint Pi-Pa-Po nämlich.“
    „Also ich weiß nicht, du redest mir Hoffmann zu sehr nach dem Munde. Es geht doch gar nicht um Eskapaden wie die mit der Zugkontrolle oder Unüberlegtheiten wie bei der Demonstration in Lübbenau. Der hat uns das mit der selbst gemachten Genehmigung einfach übel genommen und auch das mit dem Passierschein statt sich darüber zu freuen.“
    „Übel genommen hat er es nicht, so weit ich das verstehe. Für nicht wirklich nötig und für leichtsinnig gehalten hat er unsere Geschichten. Das ist aber was anderes. Es hat ja auch nichts gebracht außer“, sagte Sebastian lachend, „daß wir unser ausgelegtes Fahrgeld wieder haben. Außerdem finde ich, daß wir unsere Nerven für heute genug strapaziert haben. Fahren wir nach

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