Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman
können?“
„Na, nicht mitzumachen.“
Sebastian schüttelte nur wortlos den Kopf.
„Ich verstehe schon“, sagte Hoffmann, trank sein Glas leer und stellte es auf die Theke. „Ich würde Sie beide gerne noch zu einem Glas Wein einladen“, dabei wandte er sich an Irene, „ins Hageneck“, sagte er, „nur ein paar Schritte von hier.“
Irene nickte, sie kannte dieses Hageneck offensichtlich.
Sebastian sah auf die Uhr über der Theke und rechnete: sechs bis sieben Stunden hätte er mindestens noch Zeit, wenn er den Nachtzug nehmen würde. „Also dann den Nachtzug“, sagte er laut, „ansonsten müßte ich schon bald aufbrechen.“
„Dann lassen Sie uns doch ganz einfach das Lokal wechseln“, schlug Hoffmann vor.
„Na gut“, und Sebastian knöpfte sich die Joppe zu, warf noch einen Blick durch den Raum: helles, fast schattenloses Licht aus Neonröhren von der Decke, einfache Tische und seltsam zierliche Stühle. Ein bißchen wie eine Eisdiele, registrierte er noch im Hinausgehen. Er verließ als Letzter das Lokal, drückte die Tür, die ein wenig klemmte, ins Schloß, stellte wieder den Kragen hoch und holte die beiden ein. Er ging neben Irene, die sich wieder bei ihm einhakte. „Es ist kalt.“ Sebastian vergrub die Hände tief in den Taschen.
Sie liefen jetzt alle drei nebeneinander die Straße zurück, die er mit Irene gekommen war.
Das Hageneck, meinte Sebastian, sah schon von außen vornehm aus: Dezente Außenbeleuchtung, verhängte Fenster...
Hoffmann ging voraus, hielt Irene und Sebastian die schwere Türe auf, abgeschirmtes Licht empfing sie und dicke Teppiche, die jeden Schritt dämpften. Vorhänge, dahinter bequeme Sessel, abgedeckte Tische unter tief hängenden Lampen, die ihr warmes Licht nicht im Raum verstreuten. In so einer Ecke, weiter hinten im unterteilten Raum, hatten Hoffmann und seine beiden Gäste unter freundlicher Assistenz des Obers Platz gefunden, nachdem ihnen ein Portier zuvor Joppe und Mäntel abgenommen hatte, die nun auf Bügeln in einer Garderobennische hingen.
Sebastian war sich in seiner Joppe, die ihm der elegante Portier dezent von den Schultern genommen hatte, doch ein wenig deplaziert vorgekommen. Auch sein bestes Jackett stach schon recht deutlich von der Robe seines Gastgebers ab, der hier, nach Art der vertraulichen Begrüßung, nicht unbekannt zu sein schien.
Da Hoffmann dem Ober was von Wein erzählt hatte, umtrippelte dieser auch bald eifrig den Tisch, um drei dekorative aufklappbare Weinkarten zu verteilen. Sebastian wußte damit nun gar nichts anzufangen.
Hoffmann winkte ab, als er den etwas hilflosen Gesichtsausdruck seines Gastes bemerkte. „Ich kenne die Weine hier“, sagte er, „und würde vorschlagen erst einen einfacheren Beaujolais zu nehmen, wie die Franzosen ihn täglich trinken. Später nehmen wir dann was besseres, um mal zu vergleichen.“ Dann schnippte er den Ober heran und gab die Bestellung auf.
Diesen Namen für einen Rotwein hatte Sebastian noch nie gehört. Rheinwein ja, auch Moselwein, aber Beaujolais? Krimsekt gab es in der HO und manchmal auch Wein aus Ungarn oder Bulgarien.
„Zum Rotwein gehört eine gute Zigarre“, hörte Sebastian Hoffmann sagen. Der Ober hielt dabei einen geöffneten silbernen Kasten in den Händen, in dem in verschiedenen unterteilten Fächern Zigarren lagen. Hoffmann wies auf eines der Fächer. „Die hier ist mild“, sagte er, „und paßt ganz gut zu trockenem Rotwein.“ Sebastian nickte und der Ober kerbte ihm mit einem silbernen Schnipser das Mundstück.Mehr zufällig nahm Sebastian das eingekerbte Ende der Zigarre zwischen die Lippen. Der Ober gab ihm mit einem Streichholz Feuer.
„Paffen“, sagte Hoffmann, „paffen, keine Lungenzüge. Zigarrenrauch schmeckt man im Mund, auf der Zunge, genau wie Rotwein. Prosit!“ Und die Gläser, in deren geschliffenen Facetten das Licht sich brach, klingelten beim Anstoßen. Ein Gespräch über Weinsorten, Anbaugebiete, Geschmacksrichtungen, in dem fast nur Hoffmann monologisierte, geriet dann aber bald wieder in politisches Fahrwasser.
Sebastian mühte sich dabei an seiner Zigarre ab, die ihm einige Male ausging.
„Hin und wieder drehen“, sagte Hoffmann, „und ab und zu ein wenig schräg nach unten halten.“ Dabei führte er Sebastian vor, was er meinte. „Ein bißchen was vom Kamineffekt“, sagte er und lachte.
Sebastian folgte der Gebrauchsanweisung und hielt die Zigarre am Glühen. Bläulichgrauer
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