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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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worden.“
    Und als dann die beiden, also der FDJler und der in Armee-Uniform, sich etwas von ihrer Verblüffung erholt hatten sprachen sie vom Faschismus, dem er als Junge damals mit all den anderen eben aufgesessen sei.
    „Quatscht doch nicht so’n dummes Zeug“, reagierte der erbost, „ihr wart doch damals auch schon auf der Welt. Tut nicht so als seid ihr eben erst vom Mond gefallen. Du warst doch mindestens bei den Pimpfen“, sagte er dem FDJ-Hemd. Und an die Uniform gewandt: „Sag bloß, du warst nicht in der HJ, vielleicht sogar Flakhelfer.“ Die beiden nickten. Aber sie würden das ja jetzt wieder gut machen, erklärte das Blauhemd. Dann quatschten sie von gerechten Kriegen, vom Weltfrieden, vom Sozialismus und all dem angelernten Zeug.
    Der junge Kriegsverbrecher hörte sich das nicht lange an, zeigte denen deutlich den Vogel, drehte sich um und verließ das Büro.
    Ich sehe die verblüfften Gesichter der beiden noch und nichts wie raus, dem Typen hinterher und erwische den gerade noch auf der Straße. Der wollte eben mit dem Fahrrad los, erzählte mir dann aber noch einiges. Das würde hier jetzt zu weit führen.“
    „Ja, ja, die Russen“, reagierte Irene abwehrend, „das war schlimm. Aber“, fuhr sie fort“, wir sind in Rußland auch nicht gerade wie Engel aufgetreten.“
    „Rechtfertigt das aber die Vergewaltigungen und Plünderungen der Russen?“
    „Nein, das nicht“, sagte sie, „erklärt aber vielleicht einiges. Doch lassen wir’s“, setzte sie lachend hinzu, „lassen wir das schreckliche Thema, erzähle lieber noch was von dir.“
    „Hab’ ich doch gerade, das von der Armee …“
    „Ich meine was Erfreuliches, das wird’s doch auch geben.“
    Sebastian schüttelte den Kopf. „Entweder pflanze ich Bäume oder säge sie ab. Das ist mein Leben zurzeit. Nicht sehr erfreulich, denke ich.“
    Daß er Flugblätter entwarf, sie abtippte, über Blaupapier vervielfältigte und in der Dunkelheit am späten Abend in Senftenberg mit Mehlkleister an Scheiben und Bretterwände klebte, brauchte sie nicht zu wissen. Das wußte nur ihr Bruder, sein Freund Hans-Peter und in der Familie nur seine Schwester, die er vergattert hatte, niemandem, auch in der eigenen Familie nicht, davon zu erzählen. „Wenn ich eines Tages verschwunden sein sollte“, hatte er ihr gesagt „dann wißt ihr, daß da was schief gegangen ist.“ Ernsthaft rechnete er aber nicht damit.

    „Man kann auch alles schwarz sehen“, antwortete Irene, „dann ist nichts erfreulich.“
    Ich freue mich schon, überlegte Sebastian, wenn ich denen mit meinen Flugblättern wieder eins ausgewischt habe.
    „Ach“, sagte er, „ich habe auch meinen Spaß ab und zu, so ist das nicht.“
    Dabei war ihm klar, daß diese heimlichen Aktionen nicht eben spaßig waren, wenn er dort im Dunkeln aus der Büchse mit einem Pinsel Mehlkleister auf eine Wohnungs- oder besser Schaufensterscheibe schmierte, um ein Flugblatt drauf zu drücken. Auf Glas klebte das am besten, auf hölzernen Anschlagtafeln ging es nicht ganz so leicht, obwohl sich so ein Blatt gerade dort, zwischen amtlichen Verlautbarungen, besonders gut ausnahm. Das Problem war neben dem stets knappen Mehl für Kleister, vor allem das Papier. Wo gab’s schon Schreibmaschinenpapier?
    „Na klar haben wir als Lehrlinge untereinander unser’n Spaß im Wald“, wandte er sich an Irene, „oder auch mal in den Kneipen mit Altdöberner Schönheiten.“ Er lachte. „Mancher hat da schon sein Dauergspusi, das sich auch immer einfindet, wenn wir dort tagen nach dem Forstunterricht in Chransdorf.“
    Irene lächelte. „Und dein Gspusi? Hast du auch eins?“
    Er lachte wieder und schüttelte den Kopf. „Ich weiß doch gar nicht wie’s weitergeht. Vielleicht haue ich auch nach dem Westen ab. Das kann ganz schnell gehen.“
    Von Christa in Leipzig, der damals vierzehnjährigen Tochter der Zimmerwirtin bei seinem Messebesuch im vorigen Frühjahr, sagte er nichts. Sie konnten sich halt nur Briefe schreiben und Irene, meinte er, würde das sicher nur als typische Kinderfreundschaft belächeln.
    Die sah jedoch inzwischen auf ihre Armbanduhr. „Der Herr kommt wohl nicht mehr“, erklärte sie etwas mokant.
    Er stimmte nickend zu.
    „Ist schon fast ganz dunkel draußen“, sagte sie mit Blick zu den Fenstern. „Wann geht denn dein Zug?“
    „22.35 Uhr der letzte. Der nächste dann erst früh um drei.“
    Irene erhob sich aus ihrem Sessel. „Ich schlage vor, wir gehen noch ein Stück. Ich

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