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Als der Meister starb

Als der Meister starb

Titel: Als der Meister starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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etwas Gigantisches, Dunkles zu erkennen, aber mir fehlte die Kraft, den Gedanken weiter zu verfolgen. Zu zweiten Mal überfiel mich Schwäche, aber jetzt war es zehnfach so schlimm wie beim ersten Mal. Ich stöhnte. Der Degen entglitt meinen Händen und polterte zu Boden. Das Schiff begann sich um mich herum zu drehen, und als Andara sich mit einer erschrockenen Bewegung zu mir umwandte und mich auffing, begann sein Gesicht vor meinem Blick zu zerfließen, wie ein Bild aus weichem Wachs. Ich wollte etwas sagen, aber selbst dazu fehlte mir die Kraft. Übelkeit stieg in meiner Kehle hoch, und in meiner linken Brustseite erwachte ein brennender, grausam heftiger Schmerz.
    Ich verlor das Bewusstsein.
    Als ich erwachte, spürte ich ein sanftes, monotones Schaukeln. Ich war nicht allein im Raum; jemand sprach, ohne dass ich die Worte verstanden hätte, und hinter diesem Geräusch waren andere Laute: ein leises Knarren und Ächzen, das schwere, nasse Schlagen von Segeltuch und das Singen von Tauen, die bis an ihre Grenzen belastet waren.
    Das Schiff hatte Fahrt aufgenommen.
    Diese Erkenntnis weckte mich endgültig.
    Ich schlug die Augen auf, blinzelte und versuchte die Hand zu heben, um das quälende Licht abzuschirmen, das meine Augen marterte.
    »Er ist wach«, sagte eine Stimme. Ich erkannte sie als die Bannermanns, und als ich abermals die Augen öffnete, schwebte sein pausbäckiges Gesicht wenige Zentimeter über dem meinen. Ein gezackter, blutiger Kratzer verunzierte seine linke Wange, und auf seiner Stirn prangten zwei münzgroße rote Flecken.
    »Was ist … passiert?«, fragte ich mühsam. Ich fühlte mich schwach, unendlich schwach und müde. Eine unsichtbare Zentnerlast schien meinen Körper niederzudrücken.
    »Sie sind zusammengebrochen, Junge«, antwortete Bannermann. Er lächelte, aber seine Augen blieben ernst. »Montague und ich haben Sie hier heruntergeschafft. Sie erinnern sich an nichts?«
    Ich versuchte es, aber in meinem Kopf wirbelten die Gedanken haltlos durcheinander. Ich glaubte mich an einen Albtraum zu erinnern, irgendein krauses Zeug, in dem Schlangenarme und schnappende Mäuler eine Rolle spielten, sterbende Männer und Blut, das wie Säure brannte …
    Mit einem Schrei fuhr ich hoch. Es war kein Traum gewesen! Alles, woran ich mich erinnerte, war geschehen!
    Bannermann versuchte mich zurückzudrängen, aber der Schrecken gab mir zusätzliche Kraft. »Um Gottes willen, was ist passiert?«, keuchte ich. »Das Ungeheuer …«
    »Es ist alles in Ordnung, Robert.« Das war Andaras Stimme. Ich hatte bisher nicht einmal bemerkt, dass er ebenfalls in der Kabine war. Sanft berührte er Bannermann an der Schulter, trat an ihm vorbei und sah mir prüfend ins Gesicht. »Bist du wieder in Ordnung?«, fragte er.
    Ich nickte instinktiv, obwohl ich mich alles andere als gesund fühlte. In meinen Gliedern war noch immer eine Schwere, die ich nicht erklären konnte. Ich fühlte mich wie jemand, der nach wochenlanger Krankheit das erste Mal wieder aufzustehen versucht. »Es geht«, murmelte ich. »Wie lange … war ich bewusstlos?«
    »Nicht lange«, antwortete Bannermann. »Zehn Minuten, allerhöchstens.« Er seufzte, schüttelte den Kopf und sah abwechselnd Andara und die geschlossene Tür unserer Kabine an. »Ich müsste wieder an Deck«, murmelte er. »Aber ich habe auch ein paar Fragen an Sie, Montague.«
    Andara nickte. Seine Finger spielten nervös an dem goldenen Anhänger auf seiner Brust. »Dazu haben Sie ein Recht, Captain«, murmelte er. »Aber ich fürchte, wir werden keine Zeit für lange Erklärungen haben.«
    Bannermann erbleichte. »Sie … Sie meinen, dieses Ungeheuer kommt wieder?«, keuchte er.
    »Ich weiß es nicht«, gestand Andara nach sekundenlangem Zögern. »Er ist stärker, als ich dachte. Ich habe ihn verjagt, aber …« Er schüttelte den Kopf, ballte in einer Geste hilflosen Zornes die Faust und schluckte ein paar Mal. Seine Stimme zitterte, als er weitersprach: »Mein Gott, Bannermann, ich habe einen furchtbaren Fehler gemacht. Ich habe Sie und Ihr Schiff in allerhöchste Gefahr gebracht.«
    Bannermann schwieg, aber der Ausdruck in seinem Blick verhärtete sich.
    »Das Wesen, das uns angegriffen hat«, fuhr Andara fort, »ist meinetwegen hier, Captain. Und ich fürchte, es wird nicht eher ruhen, bis es seinen Auftrag erfüllt hat.«
    »Auftrag?«
    Andara lächelte traurig. »Ich muss Ihnen etwas gestehen, Captain«, sagte er. »Ich bin nicht der, für den Sie mich halten. Und meine

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