Als die Tiere den Wald verließen
»Kommt, kommt schnell!« Der Fuchs konnte hören, wie die Kreuzotter die Eidechsen zur Eile antrieb.
Der Waldkauz kam angeflogen, um zu sehen, ob er helfen konnte. Die Kreuzotter und die Eidechsen hatten immer noch ein paar Meter vor sich, und die Lichter waren inzwischen schon sehr nahe. Die Eidechsen setzten zum Endspurt an und rasten auf den Waldkauz zu. Aber der Kreuzotter, die auf der glatten Straßenoberfläche keinen Halt fand, blieb nichts anderes übrig, als sich unbeholfen weiterzuschlängeln. Schon im nächsten Augenblick wurden die Eidechsen, die gerade auf den Gehweg kletterten, der Waldkauz und die Kreuzotter von dem Autoscheinwerfer angestrahlt. »Sie schafft es niemals!« flüsterte der Fuchs entsetzt dem Dachs zu. »Man wird sie überfahren!« Doch dann schwenkte das Scheinwerferlicht wie durch ein Wunder leicht nach rechts auf die Tiere zu, die noch auf der anderen Straßenseite warteten. Der Wagen bog in die Straße zur Siedlung ein und fuhr haarscharf an der sich mühsam dahinschlängelnden Kreuzotter vorbei. Sie war gerettet.
Die Eidechsen hatten sich auf dem Gehweg umgedreht, um zu sehen, was mit ihrer großen Verwandten wohl geschehen würde. Als ihr Kopf mit den unheimlichen roten Augen über dem Rinnstein auftauchte, jubelten sie vor Aufregung.
»Das war ein wenig zu knapp für meinen Geschmack«, beklagte sich die Kreuzotter, als sie sich auf den Waldkauz zuschlängelte.
»Du hast Glück gehabt«, sagte der Waldkauz gefühllos. »Und jetzt kommt schnell. Man beobachtet uns.« Sie verschwanden unter dem Geländer.
Der Fahrer hatte sein Auto gleich am Anfang der Straße zur Siedlung angehalten, auf der die Tiere angekommen waren. Er hatte im Scheinwerferlicht zuerst die Kreuzotter und den Waldkauz gesehen. Die Eidechsen hatte er nicht entdeckt, da sie zu klein waren. Dann, als er den Wagen nach rechts gelenkt hatte, waren die Scheinwerferlichter auf den gegenüberliegenden Gehsteig gefallen und hatten den Fuchs, den Dachs, den Maulwurf und die Eichhörnchen angestrahlt. Erstaunt hielt der Fahrer den Wagen an und stieg rasch aus, um sich umzusehen. »Schnell, lauft hinüber!« drängte der Fuchs seine Freunde, und dicht gefolgt von den Eichhörnchen und dem Dachs rannte er über die Straße, gerade als der Fahrer des Wagens auftauchte.
Auf der anderen Seite angelangt, sah sich der Fuchs bestürzt um. »Wo ist die Kröte?« riefen alle Tiere gemeinsam. »Wir haben die Kröte vergessen!« Und tatsächlich, als sie zurückschauten, sahen sie, wie der Mann sich genau in diesem Moment bückte und etwas auf dem Gehsteig untersuchte. Dann sah er sich einen Augenblick lang nach allen Seiten um. Sie hielten den Atem an. Der Mann bückte sich noch einmal und stieß etwas auf dem Gehsteig mit dem Fuß an. Die Kröte, die selbst in ihren besten Zeiten nicht schnell genug gewesen wäre, um im Fall einer Verfolgung zu entkommen, war so müde, daß sie sich kaum noch rühren konnte. Als sie spürte, wie der Mann sie mit dem Fuß anstieß, wich sie lediglich ein paar Zentimeter weiter zur Straße hin zurück. Ihre Freunde befanden sich alle auf der anderen Straßenseite in Sicherheit, und sie fühlte sich völlig verlassen. Der Schuh des Mannes kam wieder auf sie zu. Und dann hörte sie plötzlich das Flattern von Flügeln, gefolgt von einem durchdringenden Schmerzensschrei.
Dann stand der Fuchs neben ihr. »Steig, so schnell du kannst, an meinem Schwanz hinauf!« flüsterte er. Die Kröte packte den buschigen Fuchsschwanz, klammerte sich mit den Vorderfüßen fest und zog sich langsam hinauf. Sobald der Fuchs sicher war, daß die Kröte den Erdboden verlassen hatte, rannte er wieder zurück auf die andere Straßenseite. Die Kröte hielt sich verzweifelt an seinem Schwanz fest.
Der Waldkauz flatterte mit ausgestreckten Krallen über dem Mann und riß ihn an den Haaren. Der Mann warf wild die Arme nach oben und versetzte dem Vogel einen kräftigen Schlag. Doch dieser hatte inzwischen gesehen, daß der Fuchs und die Kröte außer Gefahr waren, und so flog er in einem weiten Bogen nach oben, bis der Mann ihn nicht mehr sehen konnte. Dann flatterte er wieder zur anderen Straßenseite und landete beim Stechginstergebüsch. Die Gefahr war vorüber. Der Waldkauz lugte durch das dichte Gestrüpp. Die meisten Tiere schienen sich ganz still zu verhalten, und im Halbdunkel konnte er verschiedene, eng zusammengekauerte Gestalten erkennen.
»Danke, Kauz«, hörte er den Fuchs flüstern. »Jetzt sind alle in Sicherheit.
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