Als die Tiere den Wald verließen
erriet, daß er in irgendeiner Form von ihren Freunden an der Nase herumgeführt worden sein mußte.
Ihre Besorgnis wich. Sie war sicher, daß der Turmfalke jetzt bald kommen würde.
Es hörte wieder auf zu regnen, aber der Himmel blieb bewölkt, und schon bald wurde es dunkel. Die Kreuzotter begann zu hoffen, der Turmfalke möge bald kommen, denn wenn es zu dunkel wurde, würden sie einander bestimmt verfehlen.
Aber die Kreuzotter war immer noch allein, als die Nacht anbrach. Es war sinnlos, sich in der Dunkelheit noch länger zu verstecken, und so brach sie auf, um nach Nahrung zu suchen.
Sie hielt sich von dem Zwinger der Bulldogge fern und glitt nahe an der Wand entlang auf der anderen Seite des Bauernhauses vorbei. An einer Ecke stand ein altes Wasserfaß und daneben eine uralte Gemüsekiste, die mit Kartoffelschalen und anderen Abfällen gefüllt war. Hier hatte die Kreuzotter Glück und fand ihr Abendessen - eine Ratte, die unter den Küchenabfällen nach Nahrung gesucht hatte.
Die Kreuzotter entschloß sich, ihre Mahlzeit gemütlich zu verspeisen, fern von der menschlichen Behausung, an einer Stelle, wo sie nicht befürchten mußte, gestört zu werden. So machte sie sich mit der Ratte zwischen den Zähnen auf den Weg zurück zu den Brennesseln. Mitten in ihrem Mahl wurde sie durch den vertrauten Schrei des Waldkauzes unterbrochen. Der Waldkauz war da, um sie zu holen! Sie beeilte sich, in den Obstgarten zu kommen, wo der Waldkauz wie eine riesige Fledermaus hin und her flatterte und leise mit seiner flötenden Stimme nach ihr rief.
Mit seinen scharfen Augen entdeckte der Vogel die Kreuzotter rasch, die ihm vom Gras aus Zeichen machte.
»Ich bin froh, dich zu sehen, Kreuzotter«, sagte der Waldkauz.
»Mir geht es genauso«, antwortete die Kreuzotter. »Was hat dich aufgehalten?«
Der Waldkauz berichtete, was geschehen war. »Ich bin gerade beim Abendessen«, sagte die Kreuzotter. »Hast du schon gefressen?« »Nur ein bißchen«, antwortete der Waldkauz. »Willst du mir Gesellschaft leisten?« »Mit größtem Vergnügen.«
Sie zogen sich beide in die Brennesseln zurück und machten kurzen Prozeß mit den Resten dessen, was die Kreuzotter übriggelassen hatte.
»Ich fange dir noch eine«, sagte der Waldkauz. »Die können wir uns dann teilen.«
Die Kreuzotter beschrieb ihm, wo sie ihre Beute herhatte, und der Waldkauz flog davon. Es dauerte nicht lange, bis er mit einer zweiten Ratte zurückkam, und die Kreuzotter machte ihm Komplimente wegen seiner Geschicklichkeit als Nachtjäger. Dann gingen sie an die Arbeit und verzehrten ihren zusätzlichen Imbiß in kameradschaftlicher Stille. »Ich glaube, wir sollten uns jetzt auf den Weg machen«, sagte der Waldkauz. »Es ist eine ziemlich weite Strecke für dich, Kreuzotter. Wir können einander unterwegs ein paar Geschichten erzählen.«
Am nächsten Morgen, kurz vor der Morgendämmerung, hielten die Kreuzotter und der Waldkauz vor ihrem Abstieg zum Wäldchen auf dem Kamm des Hügels an. Der Waldkauz ergriff die Gelegenheit, der Kreuzotter zu erzählen, wie der Fuchs durch seine Überredungskünste über den bösartigen Hund triumphiert hatte.
Der Kreuzotter gefiel die Geschichte. »Ja«, sagte sie, »er ist ein kluger Kerl, dieser Fuchs. Es würde mich gar nicht wundern, wenn er uns tatsächlich sicher an unser Ziel brächte.« Der Waldkauz, dessen Weisheit sogar der Fuchs bewunderte, war ein wenig neidisch über das Lob, das auf seinen Freund gehäuft wurde, vor allem wenn man bedachte, daß auch er durch seine Idee, einen Tunnel zu graben, bei der Flucht aus dem Schuppen eine maßgebende Rolle gespielt hatte.
»Er ist tatsächlich klug«, gab der Waldkauz zu, »aber ich bin sicher, daß zu verschiedenen Zeiten jeder von uns etwas zum Gelingen unserer Reise beigetragen hat.« Die Kreuzotter begriff, was im Waldkauz vor sich ging, aber ein wenig boshaft tat sie zum Spaß so, als hätte sie nicht begriffen.
»Natürlich«, zischte sie, »könnte kein anderer die Führung der Gruppe übernehmen.« »Hm... nein, natürlich nicht«, sagte der Waldkauz. »Und doch, wenn der Fuchs krank werden würde oder sonst etwas passierte... dann müßte ein anderer eingesetzt werden«, fuhr die Kreuzotter fort. »Ich nehme an, in diesem Fall würde der Dachs in seine Fußstapfen treten.«
»Ich weiß wirklich nicht«, sagte der Waldkauz kurz angebunden. »Der Dachs hat ein gutes Herz, und er ist freundlich. Aber ich weiß nicht, ob er all die notwendigen Eigenschaften hat...«
Die
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