Als die Tiere den Wald verließen
dich gesehen haben«, sagte der Igel. »Nicht so ganz«, erwiderte der Dachs. »Ich erinnere mich daran, wie ich auftauchte, aber was danach geschah, weiß ich nicht. Ich muß ohnmächtig geworden sein. Ich weiß noch, daß mir ziemlich mulmig wurde. Und dann weiß ich nichts mehr.« »Wir haben dich an dem großen Felsen gefunden«, erklärte das Wiesel.
»Genau«, sagte der Dachs aufgeregt. »Der Felsen hat mich gerettet. Das Pflanzengewirr ist daran hängengeblieben, und so kam ich frei. Also, ich muß schon sagen - es war ziemlich knapp!«
Während der Dachs erzählte, blickte das Oberste Kaninchen von einem Tier zum anderen. Den Dachs schaute es kein einziges Mal an. Und als der Dachs zu reden aufhörte, hoppelte es schüchtern nach vorn. »Ich... eh... ich meine, im Namen aller«, begann es, »ich meine im Namen aller Kaninchen. Ich meine ...« Ganz verwirrt brach es ab. Niemand sprach. Das Kaninchen quälte sich weiter. »Was ich sagen wollte«, murmelte es, »war ... hm... wir hoffen alle, daß du uns verzeihst, Dachs, daß wir uns gestern so aufgeführt haben. Wir... eh...«
Der Dachs kam ihm entgegen. »Es ist alles vergessen«, versicherte er wohlwollend. »Wir haben alle unsere Schwächen. Wir wollen nicht mehr darüber reden.« Das Kaninchen strahlte vor Dankbarkeit. Es lächelte den Dachs an, und der Dachs lächelte zurück. »Wann wohl der Turmfalke zurückkommt?« fragte der Maulwurf.
»Geduld!« mahnte der Waldkauz. »Er kommt nicht, bevor er uns etwas zu berichten hat.« Die Zeit verging, und die Tiere wurden immer schweigsamer. Sie saßen zusammen da und beobachteten den Himmel. Einige schliefen ein.
Zu guter Letzt wurde ihre Geduld belohnt. Der Hase entdeckte einen kleinen Punkt am Himmel, der rasch größer wurde.
»Es muß der Turmfalke sein!« sagte er. »Nur er fliegt so schnell!«
Die Tiere reckten die Hälse. Der Turmfalke schwebte über ihnen und schoß dann so schnell wie ein Pfeil herab. Als er ihre erwartungsvollen Mienen sah, wurde ihm das Herz schwer.
»Schlechte Nachrichten«, sagte er. »Ich habe ihn gefunden, kurz nachdem der Morgen anbrach. Ich habe ihn lange Zeit im Auge behalten. Er trieb immer noch auf der Wasseroberfläche dahin und hielt sich an dem Treibholz fest. Dann kam eine Stauwehr. Obwohl der Treibguthaufen auseinanderbrach, gelang es dem Fuchs, sich an dem Holz festzuhalten. Danach wurde der Fluß breiter. Dort gab es kleine Boote und Vergnügungsdampfer. Irgendwie glitt das kleine Floß des Fuchses hindurch, ohne irgendwo hängenzubleiben. Dann trieb es unter eine Brücke. Ich wartete auf der anderen Seite, aber es kam nicht mehr darunter hervor. Ich sah lediglich ein kleines Motorboot, aber kein Treibholz und keinen Fuchs. Ich wartete und wartete, aber er kam nicht mehr zum Vorschein.« »Er ist also weg?« flüsterten die Tiere entsetzt. »Ich flog sogar unter die Brücke und schaute überall nach«, sagte der Turmfalke. »Aber er war nirgends zu finden.«
Keines der Tiere wagte zu sprechen. Der Maulwurf weinte, an den Dachs gedrückt, still vor sich hin. Das Oberste Kaninchen sah jämmerlich aus. Gefolgt von seinen Verwandten stolperte es ein Stück weit und sank verzweifelt zu Boden.
»Ich kann es nicht glauben, daß er nicht mehr bei uns ist«, flüsterte der Dachs. »Du mußt dich irren, Turmfalke. Er kann doch nicht einfach verschwinden!« Der Turmfalke schwieg. Nach ein paar Minuten faßte sich der Dachs. »Wir gehen heute nacht weiter!« sagte er. »Es hat keinen Zweck, noch länger hierzubleiben. Hört ihr? Die Reise geht weiter! Bereitet euch darauf vor, heute abend aufzubrechen!«
In seiner Stimme lag eine nicht zu überhörende Autorität. Der Waldkauz sagte nichts. Es gab nichts zu sagen. Der Dachs hatte sich erholt, und er war der neue Anführer. Es war ganz einfach. Niemand hatte etwas dagegen, und eigenartigerweise war auch der Waldkauz mit der Situation recht zufrieden.
17
Wohin?
Als es dunkel wurde, machten sich die Tiere zum nächsten Abschnitt ihrer Reise auf.
Der Dachs hatte sich völlig erholt und versicherte dem Maulwurf, daß er sein Gewicht gar nicht spürte. Die Kröte kletterte auf den Rücken des Hasen. Schweigend zogen sie los, denn alle mußten an ihren verschollenen Anführer denken.
Es war eine kühle, windige Nacht, und am Himmel zogen Wolken dahin, die der Mond mit seinem Licht zu durchdringen sich bemühte.
Die Kaninchen sahen ganz verloren aus, denn obwohl ihnen der Dachs verziehen hatte, belastete sie immer noch das Gefühl, der
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