Als die Tiere den Wald verließen
fragte sie. »Jederzeit«, murmelte der Pfeifer. »Würdest du diesen armen Fisch wieder in den Teich setzen?« bat die Kröte. »Er ist alt und soll in Frieden sterben, wenn seine Zeit gekommen ist. Für die Alten ist ein gewaltsamer Tod um so schlimmer.« »Willst du das wirklich?« fragte der Reiher erstaunt. Die Kröte nickte. Der große Vogel nahm den Fisch vorsichtig mit dem Schnabel auf und trat feierlich ins Wasser, um ihn dort freizulassen.
»Du bist zu weichherzig, Kröte«, sagte die Kreuzotter, die bis dahin schweigend zugesehen hatte. »Wenn es nach dem Fisch gegangen wäre, so wärst du jetzt tot. Es ist sinnlos, ihm das Leben zu schenken. Dadurch hat er lediglich Gelegenheit, es noch einmal zu versuchen.« »Ich weiß, daß du in deinen Windungen keine Spur von Gefühl hast«, sagte die Kröte kalt. »Aber einige von uns haben glücklicherweise eine sanftere Natur. Wie kann ich, wo ich gerade dem Tod ins Auge geblickt habe und gerettet worden bin, vor der Not eines anderen Geschöpfes in gleicher Lage die Augen verschließen?« »Selbst wenn es dich umbringen wollte? Hochintelligent!« kommentierte die Kreuzotter sarkastisch. »Nun, Kreuzotter, ein derartiger Akt des Erbarmens ist vom Herzen diktiert und nicht vom Verstand«, wandte der Dachs ein.
»Pah!« sagte die Kreuzotter. »Rede keinen Unsinn! Wenn's ums Überleben geht, gibt es für dich wie für mich nur einen Weg. Wenn der Tod eines anderen bedeutet, daß wir weiterleben, läßt sich das nicht ändern.« »Der Unterschied ist nur«, bemerkte die Kröte, »daß ich schon gerettet war!«
»Sei nicht so streng mit der Kreuzotter«, flüsterte der Dachs. »Denk an die Jagd! Sie hat uns alle gerettet!« »Ich habe das nicht vergessen, das kannst du mir glauben«, sagte die Kröte rasch. »Nur glaube ich, daß die Kreuzotter das versucht. Es gibt nichts, was ihr unangenehmer ist, als daß man sie als Held ansieht, und sie tut ihr Bestes, uns das vergessen zu lassen. Ihre Tat hat uns allen geholfen, und nicht nur ihr selbst, wie sie uns glauben machen will. Sie hat gezeigt, daß auch in ihr Gefühle stecken.«
»Ich bin sicher, daß du recht hast«, gab der Dachs zu. »Aber wenigstens wissen wir, daß wir uns auf sie verlassen können, wenn wir in der Klemme sitzen. Da war ich mir vorher nie so ganz sicher.«
Die Kreuzotter glitt verstimmt davon, und der Pfeifer gesellte sich wieder zu den Tieren. »Um eurer Freundin, der Kreuzotter, gerecht zu werden, muß ich sagen, daß ich ihr zustimme. Obwohl ich deinen Wunsch würdige, liebe Kröte, schien er mir doch ungewöhnlich. Außerdem sah der fette alte Fisch so aus, als wäre er ein schmackhafter Leckerbissen. Ich habe jahrelang versucht, den listigen Kerl zu fangen. Jetzt wird mir das vermutlich nie mehr gelingen.« »Das tut mir leid«, sagte die Kröte. »Das war nicht der richtige Weg, dich für meine Rettung zu belohnen.« »Wißt ihr«, sagte der Fuchs, »ich glaube, daß uns die Gefahren und die Mühsal unserer Reise verändert haben. Zu Hause im Farthing-Wald hätte keiner von uns den Fisch verschont, auch die Kröte nicht. Aber ich nehme an, daß der ständige Kampf um unser Leben Einfluß auf unser Verhalten gehabt hat.« »Leben und leben lassen?« schlug der Pfeifer vor. »Ich muß sagen«, sagte der Reiher nachdenklich, »je mehr ich mit euch rede, desto mehr wünsche ich mir, mit euch zu reisen. Ihr habt ein Ziel in eurem Leben, ihr müßt kämpfen, aber am Ende steht eine Belohnung. Natürlich bin ich hier recht sicher. Aber hier geschieht nie etwas. Ich frage mich, ob im Hirschpark nicht vielleicht ein charmantes Reiherweibchen lebt, das sich freuen würde, mich kennenzulernen.«
»Du kannst gern mitkommen«, sagte der Fuchs. »Wir haben schon eine neues Mitglied in die Gruppe aufgenommen« - er schaute zärtlich die Füchsin an - »und ein weiteres Tier wäre keine Belastung für uns.« »Ich könnte mich vielleicht auch nützlich machen«, sagte der Reiher aufgeregt. »Oh, ich würde furchtbar gern mitkommen!«
»Dann ist es abgemacht«, sagte der Fuchs. »Heute abend haben wir ein Fest, und da kannst du alle persönlich kennenlernen.«
»Was für ein guter Einfall«, sagte der Pfeifer. »Übrigens - braucht ihr ein paar Fische?«
25
Das Fest
Als es dämmerte, versammelten sich die Tiere. Nahe am Teich fand der Fuchs ein bequemes, mit weichem Gras bewachsenes und von Schilfbüscheln eingerahmtes Plätzchen. Dort legten sich die Tiere nieder, und der Dachs, der zum Zeremonienmeister
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