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Als die Tiere den Wald verließen

Als die Tiere den Wald verließen

Titel: Als die Tiere den Wald verließen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dann
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schließlich dazu gezwungen war, auf dem Bauch herumzurutschen. Die Tiere applaudierten, doch die Kreuzotter war kein guter Sänger, und der Waldkauz bemerkte: »Wieder das gleiche Lied; sie scheint nur dieses zu kennen.« »Nun, ich bin sicher, daß es uns allen gefallen hat«, sagte der Dachs. »Wer will der nächste sein?« »Ich«, sagte der Turmfalke und flog auf einen vorstehenden Ast, wo ihn alle sehen konnten. »Dies ist natürlich ein Lied über Vögel«, verkündete er, »und in diesem Lied werde ich viele Vogelstimmen nachahmen. Also hört genau zu und schaut, wie viele ihr davon erraten könnt!«
Er begann zu singen, aber das Lied enthielt mehr Vogelschreie als sonstigen Text, und sie folgten so schnell aufeinander, daß es für alle recht verwirrend war. So vergaßen die Tiere die Hälfte von den Vogelschreien wieder, die sie schon erkannt hatten. Aber sie mußten alle sehr lachen, als der Turmfalke eine phantastische Imitation der flötenartigen Rufe des Waldkauzes gab. Der wichtigtuerische Kauz dachte, sie würden über ihn lachen, und war beleidigt.
Aber er beruhigte sich rasch wieder, als der Turmfalke seine Vorstellung mit Pfiffen abschloß, die genauso klangen wie die des neuen Freundes, des Reihers. »Wie viele habt ihr erkannt?« fragte der Turmfalke, und es stellte sich heraus, daß die Füchsin das beste Gehör für Vogelstimmen hatte. Sie konnte sich an fast alle erinnern, und der Fuchs war stolz auf sie. »Das war sehr schön, Turmfalke«, lobte der Dachs. »Aber jetzt sollten wir ein Lied singen, bei dem alle mitmachen können. Hat jemand einen Vorschlag?« »Ich kenne eines«, sagte die Kröte. »Wir Kröten singen es jedes Frühjahr, wenn wir uns in den Teichen versammeln. Die Frösche singen es in einer leicht abgewandelten Form. Es heißt: ›Das Lied der Kaulquappe‹.« Aber abgesehen von der Kröte schien niemand den Text zu kennen, obwohl der Fuchs sagte, er hätte oft gehört, wie die Kröten und die Frösche es im Teich des Farthing-Waldes gequakt hätten. »Es muß doch ein Lied geben, das wir alle kennen!« sagte der Dachs.
»Was ist mit dem Lied, das uns die Krähen beigebracht haben?« schlug der Maulwurf schüchtern vor. »Ich meine das ›Freiheitslied‹.«
»Natürlich!« rief der Dachs. »Das ist es! Gut gemacht, Maulwurf!« Er strahlte den glücklichen Maulwurf an und bat alle mitzusingen.
»Das kennen wir alle«, sagte er. »Los! Eins... zwei... drei...« Und in einem Dutzend Tonlagen, die trotzdem schön harmonierten, vom Quieken der Mäuse bis zum Bellen des Fuchses und dem Ruf des Kauzes, sangen die Tiere glücklich das Lied, das ihnen die Krähen unter den Ulmen im Wäldchen beigebracht hatten. Von da an erfüllte jedes einzelne Gruppenmitglied ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Einer nach dem anderen meldete sich, um ein Lied vorzutragen. Man sang einzeln und im Chor, und die Nachtluft war erfüllt von ihrem munteren Gesang. Selbst der Pfeifer, der vorgab, kein Lied zu kennen, erklärte sich schließlich bereit, etwas vorzutragen, begleitet von verschiedenen musikalischen Geräuschen, die er mit seinem berühmten Flügel erzeugte. Schließlich verließen auch die Wasservögel, die ohnehin nicht schlafen konnten, ihre feuchten Nester, gesellten sich zu den anderen und quakten und zwitscherten gutgelaunt mit.
Der Dachs gab als letzter seine Vorstellung. Bevor er sein Lied ansagte, lächelte er die anderen väterlich an. Die Kleinen unter ihnen waren schon eingeschlafen. Die Kameradschaft und das Vertrauen, das die bunt zusammengewürfelte Gruppe zueinander hegte, bewegte ihn derart, daß er mehrmals kräftig blinzeln mußte, bevor er sprach.
»Nun, Freunde«, sagte er schließlich, »wir haben eine herrliche Zeit verlebt, und jetzt bin ich endlich an der Reihe, euch zu unterhalten. Ich habe heute während der Morgenmahlzeit ein kleines Lied komponiert, das ich jetzt zum besten geben will.« Er räusperte sich sorgfältig, und dann sang er mit ziemlich rauher und falscher Stimme ein Lied über ihre Reise. Er ließ keinen einzigen Vorfall aus: das Feuer, das Unwetter, der Hund des Bauern, der Fluß, die Jagd - alles wurde besungen. Jedem Gruppenmitglied waren zumindest ein paar Zeilen gewidmet; am Schluß wurden auch die Füchsin und der Pfeifer erwähnt. Allen gefiel das Lied so gut, daß sie den Dachs baten, es noch einmal zu singen. Er lehnte jedoch ab, mit der Begründung, es sei schon spät.
»Aber ich will euch etwas sagen«, versprach er. »Ich werde unterwegs

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