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Als es noch Menschen gab - Roman - Meisterwerke der Science Fiction

Titel: Als es noch Menschen gab - Roman - Meisterwerke der Science Fiction Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clifford D Simak
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… Darauf wollen Sie hinaus. Warum kümmern Sie sich darum? Warum sollte ich es tun?« Die Lachfalten um seinen Mund glätteten sich, und er hob in gespielter Entrüstung den Finger. »Die Erhaltung einer Gattung ist ein Mythos, ein Mythos, für den ihr alle gelebt habt – etwas Billiges, das eurer Gesellschaftsstruktur entstammt. Die Gattung endet jeden Tag. Wenn ein Mensch stirbt, endet die Menschheit für ihn – soweit er betroffen ist, gibt es keine Menschheit mehr.«
    »Es ist Ihnen einfach gleichgültig«, sagte Grant.
    »Genau das will ich Ihnen klarmachen«, erwiderte Joe. Er sah zu Grants Rucksack hinüber. Ein schwaches Lächeln umspielte seine Lippen. »Vielleicht, wenn mich etwas interessieren würde …«
    Grant öffnete den Rucksack, holte die Mappe heraus. Beinahe widerstrebend entnahm er ihr das Bündel Papiere, warf einen Blick auf den Titel:
    Unvollendete philosophische …
    Er reichte es hinüber, saß da und sah zu, wie Joe die Blätter überflog – und fühlte, wie sich die Krallen des Misserfolges in sein Herz gruben.
    Im Haus der Websters hatte er an einen Verstand gedacht, der keine ausgetretenen Wege ging, einen Verstand, der unbehindert von viertausend Jahren eintönigen menschlichen Denkens arbeitete. Damit müsste es funktionieren, hatte er sich gesagt.
    Und hier hatte er ihn gefunden. Aber es genügte nicht. Es fehlte etwas – etwas, an das er nie gedacht hatte, an das auch die Männer in Genf nicht gedacht hatten. Ein Teil des menschlichen Charakters, den er bis zu diesem Augenblick als selbstverständlich angesehen hatte. Der Druck von außen hatte die Menschheit durch all die Jahrtausende hindurch zusammengehalten – als Einheit, wie der Druck des Hungers die Ameisen an ein soziales Gefüge band.
    Der Wunsch jedes menschlichen Wesens nach Anerkennung durch seine Mitmenschen, der Drang nach Gemeinsamkeit – ein psychologisches, beinahe körperliches Bedürfnis, die eigenen Gedanken und Handlungen von anderen bestätigt zu bekommen. Eine Kraft, die den Menschen davon abhielt, der Gesellschaft den Rücken zu kehren, eine Kraft, die Sicherheit und Solidarität erzeugte, ein Zusammenspiel der großen Menschenfamilie.
    Menschen starben für diese Anerkennung, opferten ihr alles, führten ein Leben, das sie verfluchten. Doch ohne diese Anerkennung waren sie auf sich allein gestellt, waren sie Ausgestoßene, wie Tiere, die aus der Herde verbannt waren.
    Das hatte zu furchtbaren Dingen geführt – zu Massenpsychologie, zu rassischer Verfolgung, zu Massenverbrechen im Namen des Patriotismus oder einer Religion. Gleichzeitig war es aber auch der Stoff gewesen, der die Menschheit zusammenhielt, der von Anfang an menschliche Gemeinschaft überhaupt erst möglich gemacht hatte.
    Und Joe besaß das nicht. Joe war es völlig gleichgültig. Es war ihm egal, was man von ihm dachte. Er scherte sich nicht darum, ob man ihn anerkannte oder nicht.
    Grant spürte die heiße Sonne auf dem Rücken, hörte den Wind in den Bäumen. In einem Dickicht sang ein Vogel.
    Entwickelten sich die Mutationen in diese Richtung? Auf dieses Abstreifen eines grundlegenden Instinkts hin, der den Menschen erst zum Mitglied seiner Gattung machte?
    Hatte dieser Mann vor ihm, der jetzt Juwains Testament las, durch seine Mutierung in sich selbst ein solch erfülltes Leben gefunden, dass er auf die Anerkennung seiner Mitmenschen verzichten konnte?
    Hatte er schließlich, nach all den Jahren, eine Stufe der Zivilisation erreicht, auf der er unabhängig sein konnte, ohne das Gerüst einer Gesellschaft zu benötigen?
    Joe sah auf. »Sehr interessant«, sagte er. »Warum hat er sich nicht hingesetzt und es fertig geschrieben?«
    »Er ist gestorben«, sagte Grant.
    Joe schnalzte mit der Zunge. »Er hat sich an einer Stelle geirrt.« Er blätterte zurück, stach mit dem Finger darauf. »Genau hier. Da liegt der Fehler. Das hat ihn auf eine falsche Fährte gebracht.«
    Grant stammelte: »Aber … aber da kann doch kein Fehler sein. Er ist gestorben, das war alles. Er starb, bevor er es vollenden konnte.«
    Joe faltete das Manuskript zusammen und steckte es sich in die Tasche. »Auch gut«, sagte er. »Er hätte es sowieso vermasselt.«
    »Dann können Sie es also vollenden? Ja?« Grant wusste, dass es keinen Zweck hatte, weiterzureden. Er las die Antwort in Joes Augen.
    »Glauben Sie wirklich, dass ich das euch albernen Menschen überlassen würde?«, sagte Joe unmissverständlich.
    Grant zuckte besiegt mit den Achseln.

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