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Als gaebe es kein Gestern

Als gaebe es kein Gestern

Titel: Als gaebe es kein Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Winkelmann
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zu wissen!“ Als Arvin nicht reagierte, packte sie ihn am Arm und versuchte, ihn festzuhalten. „Wie oft? Wie oft hast du nachts in ihrem Zimmer geschlafen?“
    „Jede Nacht!“, brüllte Arvin und schleuderte Livia so unvermittelt und mit einer so heftigen Bewegung von sich weg, dass diese das Gleichgewicht verlor und einen Moment später unsanft auf dem Gesäß landete. Einen Moment lang musste sie um Luft ringen. Als sie einigermaßen wieder zu sich kam, war Arvin verschwunden.
    ❧
    „Ja, hallo?“
    Livia schluckte und brachte keinen einzigen Ton heraus. Sie hatte sich in ihrem Zimmer eingeschlossen und unter ihrem Bett verkrochen. Da lag sie nun in tiefer Dunkelheit, hielt ein Telefon an ihr Ohr und hatte die einzige Nummer gewählt, die ihr auf Anhieb eingefallen war.
    „Hallo, wer ist denn da?“
    „Ich bin’s“, gelang es Livia zu antworten. Sie klang verheult und total fertig.
    „Livia?“, fragte Enno besorgt.
    „Ich sollte dich eigentlich gar nicht anrufen“, sagte Livia und fühlte sich gleich doppelt schlecht. Wenn Arvin wüsste, mit wem sie hier sprach …
    „Wart mal eben“, flüsterte Enno ins Telefon. Erst ertönte ein dumpfes Geräusch, dann war einen Moment Pause. Anschließend knisterte es. „So, da bin ich wieder. Ich musste nur mal eben die Tür zumachen. Frau Baumann, du weißt schon … Also, was ist los?“
    Livia atmete einmal tief durch, sagte aber nichts. Sie wusste auch gar nicht, was sie hätte sagen sollen. Im Grunde … verstand sie ihr Gefühlschaos ja selbst nicht!
    „Stress mit Arvin?“, mutmaßte Enno.
    „Megastress“, presste Livia hervor.
    „Das klingt nicht gut“, seufzte Enno. „Andererseits … könnte das dazu führen, dass du dich doch noch für mich entscheidest …“ Livia hörte deutlich, dass der Schalk in seinen Worten steckte, konnte aber nicht darüber lachen. Ihr Leben war eine einzige Katastrophe! Den Mann, den sie haben konnte, den wollte sie nicht. Und der, den sie haben wollte, war vielleicht verrückt! „War ’n Witz!“, setzte Enno hinzu. „Wieso lachst du nicht?“
    „Glaubst du …“, begann Livia, zögerte dann jedoch.
    „Ja?“
    Und dann sprach sie es doch aus: „Glaubst du, dass Arvin gesund ist?“
    „Gesund? Wie meinst du das?“
    „Geistig gesund“, ergänzte Livia. „Glaubst du, dass er … na ja … normal ist?“
    „Wer ist schon normal …?“
    Livia ließ die Luft, die sich gerade eben bei ihr angestaut hatte, kontrolliert entweichen. „Vergiss es einfach. Es war … dumm von mir, so etwas zu fragen.“
    „War es wirklich“, bestätigte Enno. „Schließlich wissen wir beide, dass Arvin ein wenig sonderbar ist. Da muss man nicht drumherum reden.“
    Livia schluckte. „Du meinst seine Marotten …“
    „Ja, die auch …“
    „Auch? Wieso auch?“, brach es aus Livia hervor. „Was denn noch?“
    „Na ja … keine Ahnung … da wäre zum Beispiel seine Affenliebe zu eurem Hund. Er liebt den Hund ja mehr als irgendeinen Menschen …“
    Angesichts dieser Worte zog ein kurzer, aber stechender Schmerz durch Livias Körper.
    „Obwohl …“, fuhr Enno fort, „wenn ich es mir recht überlege, muss er seine Schwester noch mehr geliebt haben. Seit Karens Tod hört er ununterbrochen CDs von James Blunt. Immer nur James Blunt. Während der gesamten Bürozeit. Kannst du dir so etwas vorstellen?“
    Nun, allmählich schon … „Aber er macht nicht den Eindruck, als wäre er schizophren, oder?“, fragte Livia zaghaft.
    „Schizophren“, wiederholte Enno. „Hm …“
    „Was heißt denn ‚hm‘?“, polterte Livia los.
    „‚Hm‘ heißt, dass ich keine Ahnung habe“, gab Enno unumwunden zu. „Es gibt das Sprichwort, dass Genie und Wahnsinn eng beieinander liegen. Für mich ist Arvin der Beweis dafür, dass dieses Sprichwort stimmt. Mehr kann ich nicht dazu sagen.“
    Mehr musste er auch nicht sagen.
    ❧
    „Ich finde, wir sollten mal zusammen schwimmen gehen“, sagte Livia, als sie am nächsten Morgen mit Arvin und Vanessa gemeinsam am Frühstückstisch saß. Es war ein Samstag.
    Arvin blickte erstaunt zu ihr auf.
    „Au ja!“, begeisterte sich Vanessa mit übervollem Mund. Dadurch waren ihre Worte nur schwer zu verstehen. „Schwimmen ist toll! Ich war noch nie mit euch beim Schwimmen! Franzi hat sogar ihren Geburtstag im Schwimmbad gefeiert. Sie geht jede Woche tausendmal schwimmen!“
    Arvins Blick verfinsterte sich. „Iss bitte erst den Mund leer, bevor du sprichst.“ Dann wandte er sich an Livia.

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