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Als gaebe es kein Gestern

Als gaebe es kein Gestern

Titel: Als gaebe es kein Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Winkelmann
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…“
    „Wir haben aber noch kein Hauptgericht. Und ohne Hauptgericht brauch ich gar nicht erst anzufangen!“
    „Hauptgericht …“, murmelte Karen und wickelte eine Haarsträhne um ihren rechten Zeigefinger. „Arvin isst eigentlich alles, was man ihm vorsetzt …“
    Livia hing gespannt an ihren Lippen.
    „Bis auf Sauerkraut vielleicht …“, überlegte Karen. „Das hat er schon als Kind nie gemocht.“
    „Ich will aber nicht wissen, was er nicht mag, sondern was er mag! Komm schon, denk nach! Irgendwas liebt jeder. Eine Suppe vielleicht … oder einen Braten oder irgendetwas Außergewöhnliches wie … wie … Kohl und Pinkel!“, brach es plötzlich aus ihr hervor. „Mit Kasseler und Bauchspeck. Mhmmm …“ Sie schloss genüsslich die Augen. „Wie wäre das?“
    Karen sah irritiert zu ihr herüber. „Hast du das mal im Krankenhaus gekriegt?“, fragte sie vorsichtig.
    Livia zuckte die Achseln. Sie hatte nicht die allerbesten Erinnerungen an die Krankenhauskost. „Nicht, dass ich wüsste …“
    „Ich kenne das Essen im Krankenhaus“, überlegte Karen. „Und Kohl und Pinkel war bestimmt nie dabei.“ Sie schüttelte entschieden den Kopf. „Es ist ja auch kein Gericht aus dieser Gegend.“
    „Nicht?“
    Karen schüttelte nachdenklich den Kopf. „Du klingst aber, als hättest du es schon öfter gegessen.“
    „Ich sehe ihn auch vor mir … den dampfenden Kohl und die fette Pinkelwurst.“ Livias Blick hatte eine leicht verklärte Note.
    „Das würde bedeuten, dass du dich an früher erinnerst …“
    „Meinst du wirklich?“, fragte Livia und sprang auf. Dann begann sie, in der Küche herumzuwandern. „Aber das wäre doch toll! Richtig toll, meine ich. Vielleicht fängt es endlich an. Vielleicht kommt die Erinnerung zurück!“ Vor einem freien Stück Wand blieb sie stehen und starrte beschwörend auf die Tapete. „Vielleicht ist es dieses Haus. Vielleicht hilft es mir tatsächlich, mich zu erinnern!“
    „Kohl und Pinkel isst man im Norden“, sagte Karen mehr zu sich selbst als zu Livia. „Und du bist im Ruhrpott aufgewachsen und dann hierhergezogen. Meines Wissens hast du nie im Norden gelebt.“
    Livia wandte irrtiert den Kopf. „Du bist dir auch nicht mehr sicher, dass ich Livia bin“, begriff sie plötzlich.
    „Nein, Quatsch …“
    „Aber sicher!“, widersprach Livia und stürmte auf Karen zu. Dann baute sie sich breitbeinig vor ihr auf. „In letzter Zeit merkt man es immer deutlicher. Es kommt mir fast so vor, als ob … irgendetwas passiert wäre, das dich zweifeln lässt …“
    „So ein Unsinn“, fauchte Karen. „Ich wundere mich nur, das ist alles. Du könntest den Kohl im Urlaub gegessen haben oder während einer Klassenfahrt …“
    „Ich muss das nachprüfen …“, stammelte Livia, „und zwar sofort!“ Sie drehte sich im Kreis, so als würde sie nach irgendetwas suchen, und stolperte dann planlos auf den Flur hinaus. Als sie merkte, dass sie nicht klar denken konnte, blieb sie stehen und versuchte sich erst einmal zu sammeln. Sie kannte diese Attacken schon. Wenn sie unter Druck stand, funktionierte ihr Kopf nicht, wie er sollte. Sie schloss die Augen. „Das Telefon“, flüsterte sie sich zu. „Das Telefon steht … im Wohnzimmer.“ Als sie die Augen wieder öffnete, war sie ein bisschen ruhiger. Sie lief ins Wohnzimmer, holte das Mobilteil und kehrte damit in die Küche zurück. „Ich hätte viel eher auf die Idee kommen müssen“, verkündete
sie.
    Karen zog fragend die Augenbrauen hoch.
    Livia fuchtelte wie wild mit dem Telefon herum. „Ich werde den Kontakt zu meinen Eltern wiederherstellen! Kannst du mir ihre Telefonnummer geben?“
    Karen sah Livia ein wenig mitleidig an. „Du bist mit siebzehn von zu Hause abgehauen. Seitdem hattest du keinen Kontakt mehr zu ihnen. Und selbst wenn ich die Nummer hätte, wäre es nicht sehr wahrscheinlich, dass sie noch stimmt.“
    „Hast du sie denn?“
    Karen schüttelte bedauernd den Kopf. „Du wolltest nie über deine Eltern sprechen. Ich glaube, du hast sie gehasst.“
    „Aber ich werde mir doch die Adresse …“ Livia verstummte. Entsetzen überflutete ihr Gesicht. „Ich musste sie mir nicht notieren“, flüsterte sie heiser, „weil ich sie hier hatte.“ Sie tippte sich an die Stirn. „Oh nein …“
    „Arvin hat sich oft beschwert, dass du so wenig über deine Vergangenheit gesprochen hast“, erinnerte sich Karen. „Und dein Geburtsname …“ Sie zögerte und sah Livia bedauernd an. „Voigt

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