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Als Gott ein Kaninchen war

Als Gott ein Kaninchen war

Titel: Als Gott ein Kaninchen war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Winman
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Ich nehme an, du hast gehört, dass ich der Taufpate bin.«
    » Hab ich«, meinte der Postbote. » Und ich habe auch gehört, dass deine Wahl nicht bei allen hier Anklang fand.«
    » Nun ja«, sagte mein Vater, als wolle er noch mehr dazu sagen. Aber er schwieg.
    » Also dann«, sagte der Postbote abrupt zum Abschied, drehte sich um und strampelte den Weg wieder hoch.
    » Vollidiot«, schnaubte Ginger.
    » Aber, aber«, sagte meine Mutter.
    » Überfahr ihn«, meinte Arthur.
    » Herrgott noch mal!«, schimpfte meine Mutter und stopfte sich einen Kaugummi in den Mund.
    Die Kirche war nicht voll, und unser Zuspätkommen wurde von jedem einzelnen der Sippe aus Pelynt registriert, die in den vordersten Bänken Platz genommen hatten. Auf den besten Plätzen, wie Ginger laut bemerkte. Alan umarmte uns alle zur Begrüßung und führte uns zu dem Bereich, den er für uns reserviert hatte, einem Bereich, von dem aus mein Vater und Ginger gut zum Altar gelangen konnten.
    Es war ein einfacher Gottesdienst mit Taufversprechen, Tränen und zweckmäßigen Lesungen. Mein Vater stand auf und tat sein Bestes beim Vortrag des Gedichts mit dem Titel » Das Kind auf meinem Arm liegt sicher in deinem Herzen«, und Alan Senior hielt eine interessante Rede, in der Worte wie » Lola«, » Showgirl«, » Diamant« und » Havana« vorkamen. Wohl in der Hoffnung, das dicke Bündel, das schwer in den Armen des Pfarrers lag, wäre doch nach der Heldin aus einem der größten Songs aller Zeiten benannt worden. Und als die ersten Töne von » Großer Gott wir loben dich« erklangen, zog ich den Brief aus seiner Gefängnishülle und fing an zu lesen.
    11. März 1996
    Ich hab mich so über einen weiteren Brief von Dir gefreut, Elly. Ich weiß ja, dass wir wieder Kontakt haben, aber es fällt mir schwer, alldem zu trauen – manchmal muss ich mich selbst kneifen.
    Das Weihnachten, als wir verschwanden, ist mir noch immer so klar vor Augen, als sei es gestern gewesen. Wir brachen auf, sobald Onkel Phil aus dem Red House zurückkam und eingeschlafen war. Wir fuhren mit dem Auto zu einem verlassenen Parkplatz, zu dem Mum uns ein Taxi bestellt hatte. Es ging darum, unsere Spuren zu verwischen. Mum hatte sich von einem Frauenhaus beraten lassen, eine Mitarbeiterin hatte ihr genau gesagt, was zu tun war. Ein paar Nächte lang blieben wir in einem kleinen Hotel in Euston, glaube ich, bevor wir den Zug in Richtung Norden nahmen. Wir wohnten in dem Frauenhaus, bis Mum wieder auf den Beinen war. Von dort aus durften wir nicht anrufen oder irgendjemandem die Adresse verraten, damit wir die anderen nicht in Gefahr brachten. Deshalb hast Du nie von mir gehört. Selbst als wir wieder eine eigene Wohnung hatten, sagte Mum, unser früheres Leben sei für uns gestorben. Ich solle alles vergessen. Auch Dich. Und alles, was ihr passiert war. Sie war so verängstigt. Zu dem, was sie geworden war, sollte niemand werden, und ich durfte nicht darüber reden. Einmal rief ich Dich an. An Weihnachten vor ungefähr zehn Jahren. Am Abend, wie wir es immer gemacht hatten. Du sagtest Hallo, und ich hörte Lachen im Hintergrund. Ich legte wieder auf. Ich glaube, es war zu schmerzhaft für mich. Das zu hören, von dem ich früher auch einmal ein Teil gewesen war. Das, was ich hätte sein können. Hätte haben können.
    Ich habe geheiratet, aber es wurde keine glückliche Ehe, obwohl ich das am Anfang dachte. Ich dachte, es würde mir all das geben, was ich vermisste, oder das, was meine Mutter vermisst hatte. Das ist alles, was ich dazu sagen kann. Ich weiß nicht, ob Du an das Schicksal glaubst, aber ich weiß, dass er meines war.
    Ich blickte auf. Ginger sang laut und schaffte sogar den kompletten Text, auch wenn sie sich in der dritten Strophe den einen oder anderen Abschnitt selbst auszudenken schien.
    Ich würde wirklich gern Arthurs Buch lesen, wenn Du es redigiert hast, und gern auch alle Artikel, die Du für Zeitschriften geschrieben hast. Ich habe viel Zeit, um zu lesen, weißt Du. Ich arbeite hier in der Küche, und das ist ganz okay. Bevor ich hierherkam, hatte ich eine kleine Firma. Sie hieß Der Weg der Gelassenheit, und sie bestand nur aus mir und einem Mädchen namens Linda. Ich bot hauptsächlich Kartenlesen und Massagen an – Aromatherapie, ganz intuitiv, sogar indische Kopfmassage. Mit der Zeit wurde ich ziemlich gut. Und ziemlich erfolgreich. Komisch, wie das Leben so spielt.
    Ach, Elly, es fühlt sich so gut an, Dir wieder zu schreiben. Ich versuche, mir selbst

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