Als Gott ein Kaninchen war
saßen dort in Decken gehüllt, während der neue Tag anbrach.
Doch nach dieser Taufe schienen es alle kaum erwarten zu können, sich zurückzuziehen, und schon um elf Uhr war das Haus still und einsam. Ich machte ein Feuer im Kamin, denn die Frühlingsfeuchtigkeit hatte sich eingeschlichen, nachdem die Sonne untergegangen war. Ich konnte sie spüren, klamm unter meinem Pulli. Ich wollte sie vertreiben, und ich sehnte mich nach der Geborgenheit und dem Geruch der Flammen. Ich hielt ein Streichholz an das Zeitungspapier und legte trockenes Reisig nach, bis es zu qualmen und orange zu glühen begann und schließlich Feuer fing.
» Hey«, sagte ich.
» Warte kurz«, sagte er. » Ich nehm das andere Telefon.«
Ich hörte es klicken. Ich hörte, wie er den Hörer abnahm.
» Hey«, sagte er noch einmal, und ich hörte ihn schlucken.
Seine Stimme war leise, kraftlos– wenn er müde war, hatte er einen ziemlich starken amerikanischen Akzent. Er genehmigte sich ein Bier, und ich war froh darüber. Wenigstens etwas, das ihn aufmunterte.
» Was gibt’s Neues?«, wollte er wissen, und ich erzählte ihm von der Taufe, erzählte ihm von Jenny Pennys Brief.
» Scheiße, ich glaub’s nicht. Verarschst du mich jetzt?«
» Nein, es ist wahr.«
» Wen hat sie umgebracht?«
» Ich weiß noch nicht mehr.«
» Den früheren Freund ihrer Mutter?«
» Ich hab da nur so eine Vermutung.«
» Himmel, Elly. Was willst du jetzt machen?«
» Was kann ich schon machen? Ihr weiterhin schreiben, das ist alles. Meine Güte, das ist alles so seltsam, Joe. Sie war meine Freundin.«
» Sie war seltsam«, stellte er fest.
» Ja, aber so was? Das passt nicht zu ihr. Sie hat viel zu viel Fantasie für so was.«
» Elly, du kennst sie nicht. Du kanntest sie als Kind. Man kann niemanden in der Zeit erstarren lassen«, gab er zu bedenken.
Schweigen.
Ich schenkte mir noch Wein nach. Ich war selbst in der Zeit erstarrt.
» Was ist eigentlich aus diesem Job geworden?«, erkundigte er sich.
» Hab Panik bekommen.«
» Das ist alles?«
» Kann mich einfach nicht festlegen. Du kennst mich doch, ich bin rastlos. Ich verwandle mich in Nancy. Keine große Sache.«
» Bist du sicher?«
Schweigen.
» Sicher, Ell?«
» Klar. Alles okay. Ich hasse es einfach, auf etwas festgelegt zu werden«, sagte ich und trank mein Glas leer, nur um mir gleich wieder nachzuschenken. » Also, was machst du heute Abend noch?«
» Mit ’nem Bier in der Hand einpennen.«
» Sexy«, sagte ich.
» Ich hatte einfach keinen guten Tag heute, eigentlich war die ganze Woche nicht gut.«
Und ich hörte wieder, wie ihn die Dunkelheit übermannte. Schweigen. Ich hielt den Atem an.
» Komm zurück«, sagte ich schließlich. » Du fehlst mir. Uns allen.«
Nichts.
» Du weißt doch, dass ich hier sein muss.«
» Immer noch?«
» Ja. Die Arbeit. Weißt du doch.«
» Du hasst deine Arbeit.«
» Aber ich liebe das Geld.«
» Du bist ein Arsch.« Ich lachte. Ich trank. » Dieser Job passt nicht zu dir.«
» Vielleicht. Aber was passt dann zu mir, Elly?«
Wir verstummten beide.
» Du musst mal jemanden kennenlernen«, sagte ich.
» Das hab ich aufgegeben.« Er gähnte.
» Gab es da nicht jemanden aus deinem Chor?«
» Wir haben’s schon gemacht.«
» Ah.«
» So läuft das bei uns.«
» Ich weiß.«
» Ich hab keine Freunde«, sagte er, und ich fing wieder an zu lachen. Also gut, jetzt sind wir wieder bei der alten Leier. Dieses Spiel kam mir bekannt vor.
» Ich auch nicht«, sagte ich. » Wir sind eben Freaks.«
Er öffnete eine weitere Flasche.
» Wie geht’s Ginger?«, erkundigte er sich.
» Hält sich tapfer.«
» Scheiße.« Er trank geräuschvoll.
» Du solltest Mum und Dad mal wieder anrufen.«
» Ich weiß«, sagte er. » Grüß sie ganz herzlich von mir.«
Das könntest du auch selbst machen, dachte ich.
» Hatte einfach einen schlechten Tag heute.«
Ich legte ein Holzscheit nach.
» Nächstes Wochenende singen wir bei der Hochzeit eines Kumpels«, erzählte er und versuchte, unbeschwerter zu klingen.
» Das klingt toll.«
» Ja, das wird es auch. Es ist so was wie unser erster großer Auftritt.«
» Fantastisch.«
» Ja, das ist es«, sagte er.
» Etwas, worauf man sich freuen kann.«
» Ja«, meinte er.
» Du fehlst mir.«
» Dito«, sagte er.
Das Feuer spuckte winzige glühende Aschepartikelchen auf den Rand des Ofens, wo sie verglühten wie sterbende Sterne. Mein Bruder hatte manchmal solche Phasen, Phasen, in denen sich
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