Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als Gott ein Kaninchen war

Als Gott ein Kaninchen war

Titel: Als Gott ein Kaninchen war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Winman
Vom Netzwerk:
soweit seid«, sagte sie mit ihrer Therapeutinnenstimme.
    Ich lächelte.
    » Was ist?«, fragte sie.
    » Der Weihnachtsstern?«
    » Oh. Stell ihn zurück in den Flur«, sagte sie, » ich kümmere mich dann später darum«, und marschierte eilig aus dem Zimmer.
    Sie versuchte schon seit Januar, den Weihnachtsstern loszuwerden, aber er war hartnäckig und wollte einfach nicht eingehen, und jede Woche stellte sie ihn auf den Küchentisch und fragte sich, was sie damit tun sollte. » Lass ihn einfach draußen stehen«, sagte mein Vater. » Oder schmeiß ihn weg.« Aber das konnte meine Mutter nicht, schließlich handelte es sich um etwas Lebendiges, nur eine Stufe von einem Menschen entfernt. Also zurück in den Flur damit. Für eine weitere Woche.
    » Hallo, mein Liebling«, sagte Arthur, der federnd von seiner Yogaübung hereinkam und mich fest umarmte. Ich spürte die Kälte, die noch in seinem Pulli hing.
    » Hey«, sagte ich und versuchte, nicht zu seinen Beinen hinunterzuschauen.
    » Ich werde Ginger aufwecken, gut?«, sagte er, prüfte, ob der Wasserkessel noch warm war und warf ein paar Blätter in die Teekanne.
    » Oh, danke«, sagte ich. » Brauchst du Hilfe?«
    » Heute nicht, mein Engel, ich mach das schon«, erwiderte er, während er das heiße Wasser in die Teekanne schüttete und dann den Deckel wieder daraufsetzte. Ich reichte ihm die Tasse mit dem fast völlig verblassten Konterfei von Burt Reynolds. Ginger hatte eine Schwäche für Burt Reynolds. Ginger hatte überhaupt eine Schwäche für Männer mit Schnurrbart.
    » Das wird sie aufwecken«, meinte Arthur und trug die Teekanne und die Tasse vorsichtig zur Tür, wo er nur kurz innehielt, um meinen Vater durchzulassen.
    » Sehr schick«, sagte Arthur und verschwand hinaus in den Flur.
    » Danke«, erwiderte mein Vater und rückte seine Krawatte zurecht.
    Mein Vater sah gut aus im Anzug, und obwohl er nur selten einen anhatte, trug er ihn fraglos mit Stil. Ich erwischte ihn dabei, wie er sein Spiegelbild in der Glastür bewunderte, genauso wie ich am Abend zuvor mitbekommen hatte, dass er unauffällig in einem alten Jurabuch las. Und irgendwo fragte ich mich, ob da nicht vielleicht schon bald zwei Flussläufe wieder zusammenfließen würden. Ich hatte natürlich schon Geflüster gehört, hauptsächlich von meiner Mutter. Sie hatte mir erzählt, dass er sich seit kurzem » wieder an Rumpole hält«. Diese Neuigkeit hatte sie mir so geheimnistuerisch verkündet, dass es verzeihlich gewesen wäre zu denken, bei » Rumpole« handle es sich um den Codenamen für eine illegale Droge anstatt um den Titel der unterhaltsamen Bücher über einen alternden Londoner Rechtsanwalt. » Aber es sind nicht bloß Bücher, Liebling«, hatte sie zu mir gesagt, » es ist eine Lebensweise.«
    Mein Vater räusperte sich, bevor er die letzte Zeile rezitierte und trug sie dann mit gesenktem Blick vor. Mir blieb nichts anderes übrig, als zu applaudieren und mich hinter dem Lärm zu verstecken.
    » Also, was meinst du?«, fragte er. » Ganz ehrlich.«
    Ich nippte an meinem Kaffee und versuchte, auf die Schnelle etwas Nettes, Positives zu sagen über ein Gedicht, das er sich nicht einmal selbst aussuchen hatte dürfen und das er nur vorzutragen bereit war, weil es als Patenonkel nun mal seine Pflicht war.
    » Es ist wirklich schlecht«, sagte ich.
    » Ich weiß.«
    » Nicht du.«
    » Ich weiß.«
    » Bloß es.«
    » Ich weiß.«
    Der pummelige kleine Alan Junior war herangewachsen und selbst Vater geworden, als seine Frau ein kleines Mädchen namens Alana zur Welt gebracht hatte (sie hatten mit einem Jungen gerechnet). Das Kind kam drei Wochen zu spät auf die Welt und wog über zehn Pfund. Als das Mädchen bei einer kleinen Familienfeier in St Austell der Welt ihrer Eltern präsentiert wurde, offenbarte es einen erstaunlichen Lockenkopf, der eine große Ähnlichkeit zur Familienseite von Alans Frau aufwies.
    Sie sahen alle so aus, als stammten sie eher aus Neapel als aus Pelynt, und als Nancy die Bemerkung machte, dass das Baby aussehe wie eine fette Cher, war es nur ihrem umsichtigen, in das betretene Schweigen nachgeschobenen Lachen zu verdanken, dass die Anwesenden dachten, sie mache bloß einen Scherz. (Im Laufe der Jahre hatte Nancy das Interesse an allen, die kleiner als drei Fuß waren, verloren, außer sie waren an einem Märchenspiel beteiligt und auf dem Weg zu Schneewittchens Haus.)
    Meine Eltern wurden oft zu diesen Familienfeiern eingeladen. Eine stark empfundene

Weitere Kostenlose Bücher