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Als Gott ein Kaninchen war

Als Gott ein Kaninchen war

Titel: Als Gott ein Kaninchen war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Winman
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Dankesschuld, die Alan Senior noch immer brennend wie einen Peitschenhieb auf dem Rücken verspürte. Nancy wurde natürlich eingeladen, weil sie ein Star war und jeder gern mit einem Star Umgang hatte. Aber bei einer zunehmend ausgelassenen Feier nahmen die Ereignisse eine unerwartete– manch einer würde sogar sagen leichtsinnige– Wendung. Denn Alan Junior bot meinem Vater eine Zigarre an und bat ihn, Alanas alleiniger Pate zu werden, was zur völligen Bestürzung der Verwandtschaft seiner Frau führte. Betretenes Schweigen folgte, in dem das wortlose Schweigen meines Vaters irgendwie als Ja interpretiert wurde. Getuschel wie » Eigenbrötler!«, und » Was hat er sich nur dabei gedacht?«, und » Was ist mit uns?« wurden in dem kleinen, freistehenden Häuschen laut, bis Alan Junior seine Frau zur Seite nahm und den haltlosen Protesten ihrer Familie ein Ende setzte. Es war das erste Mal, dass er ein Machtwort sprach, und obwohl er es mit der leisesten Stimme– der Stimme der Angst– sprach, hielt er unbeirrbar an seiner Wahl fest. Mein Vater sei ein guter Mann; der Beste im ganzen Tal. Die Entscheidung sei gefallen.
    Wir quetschten uns, verspätet wie immer, ins Auto, aber Ginger meinte, wir hätten nun schon drei Wochen auf das fette Kind gewartet, also könne das fette Kind jetzt auch eine Viertelstunde auf uns warten. Meine Mutter sah sie durch den Rückspiegel hindurch an, und ich bemerkte den besorgten Ausdruck in ihrem Gesicht. Ginger hatte heute Morgen nur eine halbe Tasse Marihuanatee getrunken, aber es war Arthur gewesen, der ihr das ungeschickt dosierte Medikament verabreicht hatte, weil meine Mutter damit beschäftigt war, Mr As erotische Träume zu entschlüsseln. Und nun trug Ginger eine Federboa über ihrem hübschen Kleid zu der Strickjacke, die ihr meine Mutter herausgelegt hatte, und hatte sich geweigert, die Boa abzunehmen, selbst als meine Mutter sie daran erinnerte, dass man zu einer Taufe gehe und nicht zu einem Karaokeabend im Fisherman’s Arms.
    » Ich werde trotzdem auftreten«, sagte Ginger mit einem breiten Grinsen.
    » Das ist ein Gottesdienst, Ginger«, erinnerte sie meine Mutter, » nicht die Carnegie Hall.«
    Ginger saugte geräuschvoll an ihren Zähnen und zog sich die Federboa enger um den Hals. Mit ihrer akzentuierten Nase erinnerte sie an einen hochmütigen, glatzköpfigen Adler, der nach Beute Ausschau hielt. Die einzige Angst meiner Mutter war, dass sie sie vielleicht schon erspäht hatte und dass sie Windeln trug und kräftige Locken hatte und am Taufbecken auf uns wartete.
    » Gut«, sagte mein Vater, als er den Motor anließ. » Sind alle da?«
    » Ja«, sagte Arthur.
    » Ja«, sagte Ginger.
    » Ja«, sagte ich.
    » Nicht ganz«, sagte meine Mutter mit auf ihre Hände gerichtetem Blick und dachte an meinen Bruder. So war das immer, wenn jemand fragte: » Sind alle da?«
    Mein Vater nahm ihre Hand, aber sie stieß ihn weg und sagte: » Schon okay, Alfie.«
    Mein Vater kämpfte mit sich und sah uns durch den Rückspiegel an. Wir saßen zusammengepfercht da und wagten kein Wort zu sprechen, bis Arthur schließlich sagte: » Ich weiß nicht, aus welchem Grund wir traurig sein sollten. Er hat gerade die Zeit seines Lebens in New York, in den Clubs, beim Vögeln und verdient auf dem Börsenparkett unanständig viel Geld. Und wir besuchen eine Taufe, bei der die Mehrheit der Anwesenden wünschte, wir wären tot.«
    » Halt den Mund, Arthur«, sagte meine Mutter, und er presste die Lippen zusammen wie ein renitentes Kind.
    Ginger fing an zu lachen. Nicht wegen etwas Bestimmtem, sondern weil sie bekifft war.
    Der Postbote winkte uns heran, als mein Vater auf unserer Ausfahrt gerade Gas gab, und Kieselsteine und Staub nur so von seinen Hinterreifen spritzten. Er war es nicht gewohnt, den Bus zu fahren– das machte immer noch Alan–, und an jeder Steigung überging er den dritten Gang, als habe er nie existiert.
    » Willst du die gleich nehmen?«, fragte der Postbote und wedelte mit einem Bündel Briefe und Rechnungen vor meinem Vater herum.
    » Okay, Brian«, sagte mein Vater, nahm sie und reichte sie an meine Mutter weiter, die den Stapel sogleich nach dem dünnen, blauen Luftpostkuvert durchsuchte, das ihr Nachricht von ihrem Sohn bringen würde. Sie gab mir einen Brief, der mir von Nancy weitergeleitet worden war.
    » Auf dem Weg zur Taufe der kleinen Alana?«, erkundigte sich der Postbote. Ginger schnaubte unhöflich bei dem Wort » klein«.
    » Ja«, sagte mein Vater. »

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