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Als ich im Sterben lag (German Edition)

Als ich im Sterben lag (German Edition)

Titel: Als ich im Sterben lag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Faulkner
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gelöst und sei aufwärts getrieben, um mit ihrer geisterhaften Spur ein Denkmal für eine Trostlosigkeit zu setzen, die noch abgründiger ist als die, über der wir jetzt sitzen und ruhig von alter Sicherheit und alten alltäglichen Dingen sprechen. Jewel sieht Cash an, dann mich, dann kehrt sein Gesicht sich nach innen im ruhigen, stetigen Erforschen der Szene; das Pferd zittert friedlich und gleichmäßig zwischen seinen Knien.
    «Er könnte langsam vorausreiten und den Untergrund abtasten», sage ich.
    «Ja», sagt Cash, ohne mich anzusehen. Sein Profil ist mir zugekehrt, als er Jewel hinterherschaut, der jetzt ein Stück vor uns ist.
    «Er kann den Fluss nicht verfehlen», sage ich. «Er könnte ihn nicht verfehlen, wenn er noch fünfzig Yard weit weg wäre, er müsste ihn sehn.»
    Cash sieht mich nicht an, er kehrt mir sein Profil zu. «Wenn ich das geahnt hätte, wär ich letzte Woche runtergekommen und hätte mir ein Bild gemacht.»
    «Da stand die Brücke noch», sage ich. Er sieht mich nicht an. «Whitfield ist mit seinem Pferd rüber.»
    Jewel sieht uns wieder an, der Ausdruck in seinem Gesicht ist sachlich, wach und gesänftigt. Seine Stimme ist ruhig. «Was soll ich also tun?»
    «Ich hätte letzte Woche runterkommen sollen und mir ein Bild machen», sagt Cash.
    «Wir konnten es doch nicht wissen», sage ich. «Wie hätten wir’s denn wissen sollen!»
    «Ich reite voraus», sagt Jewel. «Ihr kommt nach bis dahin, wo ich bin.» Er zieht das Pferd hoch. Es weicht zurück, geht in die Knie; er beugt sich zu ihm hinunter, spricht zu ihm, hebt es fast mit Körperkraft vorwärts; zitternd, schwer atmend setzt es mit behutsamem Platschen die Hufe auf. Er redet ihm zu, flüstert ihm zu. «Vorwärts», sagt er. «Ich lass nicht zu, dass dir was passiert. Weiter jetzt.»
    «Jewel», sagt Cash. Jewel sieht sich nicht um. Er treibt das Pferd voran.
    «Er kann schwimmen», sag ich. «Wenn er dem Pferd nur ein bisschen Zeit lässt …» Als er geboren wurde, ging es ihm schlecht. Ma saß damals im Lampenschein und hielt ihn in einem Kissen auf dem Schoß. Wir wachten auf, und sie saß immer noch so da. Kein Laut kam von den beiden.
    «Das Kissen war länger als er», sagt Cash. Er beugt sich ein wenig vor. «Ich hätte letzte Woche herkommen müssen und mir ein Bild verschaffen. Ich hätte das tun müssen.»
    «Das stimmt», sage ich. «Weder seine Füße noch sein Kopf haben bis zum Kissenrand gereicht. Du hast es nicht voraussehn können», sage ich.
    «Ich hätt’s tun müssen», sagt er. Er hebt die Zügel an. Die Maultiere setzen sich in Bewegung, sie gehen in Jewels Spuren; die Räder murmeln lebendig im Wasser. Er sieht zurück und auf Addie nieder. «Er ist nicht im Gleichgewicht», sagt er.
    Endlich lichten sich die Bäume; vor dem offenen Fluss sitzt Jewel auf seinem Pferd, halb abgewandt; das Wasser reicht dem Tier jetzt bis an den Bauch. Am andern Ufer können wir Vernon, Pa, Vardaman und Dewey Dell sehen. Vernon macht uns Zeichen, winkt uns weiter flussabwärts.
    «Wir sind zu weit oben», sagt Cash. Vernon ruft auch etwas, aber wir können ihn nicht verstehen, weil das Wasser so laut ist. Es fließt jetzt ruhig und tief, ohne Unterbrechung, bis ein Baumstamm vorbeitreibt und sich langsam dreht. «Achte drauf», sagt Cash. Wir beobachten den Baumstamm, sehen, wie er stockt und sich einen Augenblick nicht rührt; die Strömung baut sich hinter ihm zu einer hohen Welle auf, überspült ihn und drückt ihn unter Wasser, bis er gleich darauf hochgeschossen kommt und weiterrollt.
    «Hier ist es», sag ich.
    «Ja», sagt Cash. «Hier ist es.» Wir sehen wieder zu Vernon hinüber. Er wedelt mit den Armen. Wir fahren weiter flussabwärts, langsam, vorsichtig, und behalten Vernon im Auge. Er lässt die Hände sinken. «Hier ist es richtig», sagt Cash.
    «Schön, dann wollen wir verdammt noch mal endlich rüber», sagt Jewel. Er treibt das Pferd voran.
    «Warte noch», sagt Cash. Jewel bleibt wieder stehn.
    «Also, bei Gott –», sagt er. Cash sieht aufs Wasser, dann auf Addie. «Er ist nicht im Gleichgewicht», sagt er.
    «Dann geh zu dieser verdammten Brücke zurück und geh zu Fuß rüber», sagt Jewel. «Du und Darl, alle beide. Lasst mich auf den Wagen.»
    Cash achtet nicht auf ihn. «Er ist nicht im Gleichgewicht», sagt er. «Wir müssen ihn im Auge behalten.»
    «Im Auge behalten – zum Teufel», sagt Jewel. «Ihr steigt jetzt von diesem Wagen runter und lasst mich rauf. Bei Gott, wenn ihr Angst

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