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Als ich im Sterben lag (German Edition)

Als ich im Sterben lag (German Edition)

Titel: Als ich im Sterben lag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Faulkner
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hab ihr mein Wort gegeben», sagt Anse. «Es ist mir heilig. Ich weiß, du machst das hier nicht gern, aber sie wird dich im Himmel dafür segnen.»
    «Sie müssen erst das Land umfahren haben, bevor sie sich ans Wasser wagen können», sagte ich. «Also los.»
    «Sie sind umgekehrt», sagte er. «Umkehren bringt kein Glück.»
    Er stand da, gebückt, kummervoll, und sah zur leeren Straße auf der andern Seite der wankenden, schwankenden Brücke hinüber. Und das Mädchen auch, am einen Arm den Esskorb, unterm andern das Paket. Auf dem Weg zur Stadt. Versessen darauf. Sie würden Feuer und Erde und Wasser riskieren und alles, nur um eine große Tüte voll Bananen zu essen. «Ihr hättet einen Tag warten sollen», sagte ich. «Gut möglich, dass er bis zum Morgen ein bisschen fällt. Heute Nacht regnet es vielleicht nicht. Und höher steigen kann er nicht mehr.»
    «Ich hab ihr mein Wort gegeben», sagt er. «Sie zählt darauf.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Darl
    Vor uns die undurchdringliche dunkle Strömung: sie spricht zu uns in endlosem, tausendstimmigem Gemurmel, die gelbe Oberfläche über und über gekräuselt von kleinen schnellen Wirbeln, die sekundenlang oben bleiben, kreiseln und sich wieder auflösen, stumm, flüchtig und von dunkler Bedeutung, als erwache dicht unter der Oberfläche etwas Gewaltiges, Lebendiges zu einem Augenblick träger Aufmerksamkeit und falle dann wieder in leichten Schlummer zurück.
    Das Wasser gurgelt und murmelt zwischen den Radspeichen und um die Knie der Maultiere, gelb, gischtend mit Treibgut und mit dicken, vom schlammigen Grund aufgewühlten Klumpen aus Schaum, als hätte der Grund geschwitzt und flockigen Speichel ausgespieen wie ein gehetztes Pferd. Durchs Gestrüpp am Rand fließt der Fluss mit einem klagenden, nachdenklichen Ton. Das durch nichts gehaltene Schilf und die jungen Baumschösslinge beugen sich wie vor einem Wind, schwanken, ohne sich zu spiegeln, als hingen sie an unsichtbaren Drähten von den Zweigen oben. Über der unruhigen Wasserfläche stehen sie – Bäume, Schilf, Schlinggewächse – entwurzelt, abgetrennt von der Erde, geisterhaft, über einer Szene ungeheurer, aber umgrenzter Trostlosigkeit, die erfüllt ist von der Stimme des wüsten, klagenden Wassers.
    Cash und ich sitzen auf dem Wagen; Jewel sitzt auf dem Pferd neben dem Hinterrad auf der anderen Seite. Das Pferd zittert, seine Augen rollen wild und babyblau in seinem langen rosa Gesicht, sein Atem geht röchelnd, als stöhne es. Jewel sitzt aufrecht, locker, sieht gelassen, fest und mit raschem Blick bald hierhin, bald dorthin, sein Gesicht ist beherrscht, ein wenig blass und gespannt. Auch Cashs Gesicht ist ernst und gefasst. Er und ich sehen einander mit langen prüfenden Blicken an, mit Blicken, die durch die Augen ungehindert bis in den letzten geheimen Winkel vordringen, wo wir uns für einen Moment ohne Scheu und furchtlos in all dem alten Schrecken und der alten Vorahnung niederkauern, wachsam, heimlich, ohne Scham. Wenn wir sprechen, sind unsere Stimmen ruhig, nüchtern.
    «Ich denke, wir sind noch ganz richtig auf der Straße.»
    «Tull hat die beiden großen Weißeichen gefällt. Ich hab gehört, dass man früher bei Hochwasser wegen der Bäume gewusst hat, wo die Furt ist.»
    «Ich nehme an, er hat das vor zwei Jahren gemacht, als er hier unten viel Holz geschlagen hat. Wahrscheinlich ist er nicht auf die Idee gekommen, dass jemand noch mal diese Furt benutzen würde.»
    «Wahrscheinlich. Ja, es muss vor zwei Jahren gewesen sein. Er hat damals eine Menge Bauholz hier rausgeholt. Hat seine Hypothek damit bezahlt, hab ich gehört.»
    «Ja. Ja, ich glaub auch. Es wär Vernon zuzutrauen.»
    «Ist ’ne Tatsache. Die Leute, die sich in diesem Land hier Bauholz anschaffen, brauchen eine verdammt gutgehende Farm, um die Sägemühle zu unterhalten. Oder vielleicht einen Laden. Aber ich schätze, für Vernon ist das kein Problem.»
    «Schätz ich auch. Der ist schon ein toller Kerl.»
    «Ja, das ist er. Doch, sie muss noch hier sein. Er hätte nie das Holz von hier abtransportieren können, wenn er nicht die alte Straße in Ordnung gebracht hätte. Ich bin sicher, wir sind immer noch drauf.» Er sieht sich ruhig um, prüft, wie die Bäume stehen, die sich in diese oder jene Richtung neigen, sieht zurück, die bodenlose Straße entlang, deren Verlauf sich an der Position der behauenen, geköpften und gefällten Bäume undeutlich erkennen lässt in der Luft, als habe auch sie sich von der Erde

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