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Als ich im Sterben lag (German Edition)

Als ich im Sterben lag (German Edition)

Titel: Als ich im Sterben lag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Faulkner
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loswurde.
    Jewel galoppierte heran und stoppte, die Fersen in die Rippen des Pferds gedrückt; es tanzte und wirbelte herum, als hätte seine äußere Gestalt, die Mähne, der Schweif, die Geschecktheit des Fells, nichts zu tun mit dem Pferd aus Fleisch und Knochen, das in ihm war, und er saß da und sah uns an.
    «Wo hast du das Pferd her?», fragte Pa.
    «Gekauft», sagte Jewel. «Von Mr. Quick.»
    «Gekauft?», sagte Pa. «Womit? Hast du das Vieh da auf meinen Namen gekauft?»
    «Es war mein Geld», sagte Jewel. «Ich hab’s mir verdient. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.»
    «Jewel», sagte Ma. «Jewel.»
    «Es stimmt», sagte Cash. «Er hat das Geld verdient. Er hat die sechzehn Hektar Land, die Quick letztes Frühjahr gekauft hat, aufgeräumt, damit man’s pflügen kann. Er hat es allein gemacht, hat nachts gearbeitet, bei Laternenlicht. Ich hab ihn gesehn. Also würde ich sagen, dieses Pferd hat niemand was gekostet, außer Jewel. Wir müssen uns also keine Sorgen machen.»
    «Jewel», sagte Ma. «Jewel …» Dann sagte sie: «Du kommst sofort mit ins Haus und gehst ins Bett.»
    «Noch nicht», sagte Jewel. «Hab noch keine Zeit, muss noch einen Sattel und Zaumzeug besorgen. Mr. Quick sagt, er …»
    «Jewel», sagte Ma und sah ihn an. «Ich gebe … ich gebe … ich gebe …» Dann begann sie zu weinen. Sie weinte bitterlich, verbarg ihr Gesicht nicht, stand da in ihrem ausgeblichenen Umschlagtuch und sah ihn an, sah ihn an, wie er da auf dem Pferd saß, und er sah zu ihr runter, sein Gesicht wurde frostig, hatte etwas leicht Kränkliches, dann sah er rasch weg, und Cash kam und legte den Arm um sie.
    «Geh wieder ins Haus», sagte Cash. «Der Boden hier ist zu feucht für dich. Komm, geh jetzt.» Da schlug sie die Hände vors Gesicht, und nach einer Weile ging sie, stolperte ein paarmal über die Pflugfurchen. Aber sie fasste sich und ging aufrecht weiter. Sie sah sich nicht um. Als sie beim Straßengraben war, rief sie Vardaman. Der sah sich das Pferd von allen Seiten an und sprang drum herum.
    «Lass mich mal reiten, Jewel», sagte er. «Lass mich mal reiten!»
    Jewel sah ihn an, dann sah er wieder weg und hielt das Pferd im Zaum. Pa beobachtete ihn und kaute auf seiner Lippe.
    «Du hast also ein Pferd gekauft», sagte er. «Hinter meinem Rücken bist du losgegangen und hast ein Pferd gekauft. Du fragst mich gar nicht erst. Du weißt, wie schwer es uns fällt, ein bisschen was zu sparen, aber du kaufst ein Pferd, das ich jetzt füttern muss. Stiehlst deinem Fleisch und Blut deine Arbeitskraft und kaufst ein Pferd.»
    Jewel sah Pa an, seine Augen fahler denn je. «Er wird nie auch nur ein Maulvoll von deinem Eigentum fressen», sagte er. «Nicht ein Maulvoll. Eher bring ich ihn um. Da kannst du sicher sein. Ganz sicher.»
    «Lass mich reiten, Jewel», sagte Vardaman. «Lass mich reiten.» Er hörte sich an wie eine Grille im Gras, eine kleine. «Lass mich reiten, Jewel.»
    In jener Nacht fand ich Ma im Dunkeln am Bett des schlafenden Jewel sitzen. Sie weinte sehr, vielleicht, weil sie so leise weinen musste; vielleicht, weil sie über Tränen genauso dachte wie über Täuschung und sich dafür hasste, dass sie’s tat, und ihn hasste, weil sie es tun musste. Und dann wusste ich, dass ich wusste. Ich wusste das an dem Tag so deutlich, wie ich es an jenem andern Tag von Dewey Dell gewusst habe.

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    Tull
    Schließlich brachten sie Anse dazu zu sagen, was er tun wollte, und er, das Mädchen und der Junge stiegen vom Wagen. Aber selbst als wir schon auf der Brücke waren, sah Anse sich immer wieder um: vielleicht dachte er, wenn er erst mal vom Wagen runter wär, würde die ganze Sache in die Luft fliegen, und er wär wieder drüben auf dem Acker, und sie lag wieder oben im Haus und wartete aufs Sterben, und alles müsste von vorn anfangen.
    «Du hättest ihnen dein Maultier geben sollen», sagt er, und die Brücke bebt und schwankt unter uns und geht runter ins schwappende Schmutzwasser, als ob sie geradenwegs auf die andere Seite der Erde führte; das gegenüberliegende Ende ragt aus dem Wasser, als gehörte es nicht zur selben Brücke, und wer auf der Seite aus dem Wasser steigt, muss vom Grund der Erde kommen. Aber sie war immer noch ein Ganzes; man erkannte es daran, dass, wenn dieses Ende schwankte, es so aussah, als bewegte das andere Ende sich überhaupt nicht; nur die Bäume und die Uferböschung drüben schwangen langsam hin und her wie ein großes Uhrpendel. Und

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