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Als ich noch der Waldbauernbub war - Arena Kinderbuch-Klassiker

Als ich noch der Waldbauernbub war - Arena Kinderbuch-Klassiker

Titel: Als ich noch der Waldbauernbub war - Arena Kinderbuch-Klassiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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auch gesehen, Bub?«
    »Ich hab’s auch gesehen.«
    »Nachher kann’s keine Täuschung gewesen sein«, murmelte der Jochem.
    Wir gingen auf der Fahrstraße den Berg hinan; wir sahen aus mehreren Schächten Rauch hervorsteigen. Tief unter unsern Füßen im Berge ging der Dampfwagen.
    »Die sind hin!«, sagte mein Pate und meinte die Eisenbahnreisenden. »Die übermütigen Leut’ sind selber ins Grab gesprungen!«
    Beim Gasthause auf dem Semmering war es völlig still; die großen Stallungen waren leer, die Tische in den Gastzimmern, die Pferdetröge an der Straße waren unbesetzt. Der Wirt, sonst der stolze Beherrscher dieser Straße, lud uns höflich zu einer Jause ein.
    »Mir ist aller Appetit vergangen«, antwortete mein Pate, »gescheite Leut’ essen nicht viel und ich bin heut um ein Stück gescheiter worden.« Bei dem Monumente Karls VI. standen wir still und sahen ins Österreicherland hinaus, das mit seinen Felsen und Schluchten und seiner unabsehbaren Ebene vor uns ausgebreitet lag. Und als wir dann abwärts stiegen, da sahen wir drüben in den wilden Steilwänden unsern Eisenbahnzug gehen – klein wie eine Raupe – und über hohe Brücken, fürchterliche Abgründe setzen, an schwindelnden Hängen gleiten, bei einem Loch hinein, beim andern heraus – ganz verwunderlich.
    »’s ist nicht zu verstehen, was heutzutag’ die Leut’ treiben«, murmelte mein Pate.
    »Sie spielen mit der Weltkugel Kegeln!«, sagte ein eben vorübergehender Handwerksbursche.
    Als wir nach Mariaschutz kamen, war es schon dunkel.
    Wir gingen in die Kirche, wo das rote Lämpchen brannte, und beteten.
    Dann genossen wir beim Wirt ein kleines Nachtmahl und gingen an den Kammern der Stallmägde vorüber auf den Heuboden, um zu schlafen.
    Wir lagen schon eine Weile. Ich konnte unter der Last der Eindrücke und unter der Stimmung des Fremdseins kein Auge schließen, vermutete jedoch, dass der Pate bereits süß schlummerte; da tat dieser plötzlich den Mund auf und sagte: »Schlafst schon, Bub?«
    »Nein«, antwortete ich.
    »Du«, sagte er, »mich reitet der Teufel!«
    Ich erschrak. So was an einem Wallfahrtsort, das war unerhört.
    »Ich muss vor dem Schlafengehen kein Weihwasser genommen haben«, flüsterte er, »’s gibt mir keine Ruh’, ‘s ist arg, Bub.«
    »Was denn, Pate?«, fragte ich mit warmer Teilnahme.
    »Na, morgen, wenn ich zur Kommunion geh, vielleicht wird’s besser«, beruhigte er sich selbst.
    »Tut Euch was weh, Pate?«
    »’s ist eine Dummheit. Was meinst, Bübel, weil wir schon so nah dabei sind, probieren wir’s?«
    Da ich ihn nicht verstand, so gab ich keine Antwort.
    »Was kann uns geschehen?«, fuhr der Pate fort. »Wenn’s die andern tun, warum nicht wir auch? Ich lass mir’s kosten.«
    Er schwätzt im Traum, dachte ich bei mir selber und horchte aufmerksam.
    »Da werden sie einmal schauen«, fuhr er fort. »Wenn wir heimkommen und sagen, dass wir auf dem Dampfwagen gefahren sind!«
    Ich war gleich dabei.
    »Aber sündhaft ist’s!«, murmelte er. »Na, vielleicht wird’s morgen besser und jetzt tun wir in Gottes Namen schlafen.«
    Am andern Tage gingen wir beichten und kommunizieren und rutschten auf den Knien um den Altar herum. Aber als wir heimwärts lenkten, da meinte der Pate nur, er wolle sich dieweilen gar nichts vornehmen, er wolle nur den Semmering-Bahnhof sehen, und wir lenkten unsern Weg dahin.
    Beim Semmering-Bahnhof sahen wir das Loch auf der andern Seite. War auch kohlfinster. – Ein Zug von Wien war angezeigt. Mein Pate unterhandelte mit dem Bahnbeamten, er wolle zwei Sechser geben und gleich hinter dem Berg, wo das Loch aufhört, wollten wir wieder absteigen.
    »Gleich hinter dem Berg, wo das Loch aufhört, hält der Zug nicht«, sagte der Bahnbeamte lachend.
    »Aber wenn wir absteigen wollen!«, meinte der Jochem.
    »Ihr müsst bis Spital fahren. Ist für zwei Personen zweiunddreißig Kreuzer.«
    Mein Pate meinte, er lasse sich’s was kosten, aber so viel wie die hohen Herren könne er armer Schlucker nicht geben; zudem sei an uns beiden ja kein Gewicht da. – Es half nichts; der Beamte ließ nicht handeln. Der Pate zahlte; ich musste zwei Kreuzer beisteuern. Mittlerweile kroch aus dem nächsten, unteren Tunnel der Zug hervor, schnaufte heran und ich glaubte schon, das gewaltige Ding wolle nicht anhalten. Es zischte und spie und ächzte – da stand es still.
    Wie ein Huhn, dem man das Hirn aus dem Kopfe geschnitten, so stand der Pate da und so stand ich da. Wir wären nicht

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