Als Mrs Simpson den König stahl
Wallis den Pelz um die mageren Schultern schlang, schien sie neue Kraft zu sammeln.
»Eins möchte ich noch hinzufügen, Evangeline, falls du an meinen Absichten zweifelst. Du musst wissen, dass ich von einer unumstößlichen Wahrheit überzeugt bin: David und ich, als Ehepaar wären wir eine Katastrophe!«
Sie streckte ihren Arm zu dem kleinen Nachttisch neben ihrem Bett aus und griff nach einem versiegelten blauen Luftpostbrief. Inzwischen war ihre Stimme ruhiger.
»Ich will dir ein Geheimnis anvertrauen, Vangey. Ich will, dass du weißt, dass ich die Sache beendet habe. Ich habe David sogar geschrieben, um ihm zu sagen, dass es aus ist.« Wallis wedelte mit dem Umschlag vor Evangeline herum. »Ich habe ihm gesagt, dass wir einander niemals glücklich machen würden. Das Geld und die Juwelen, nun ja, die meisten Juwelen jedenfalls, vielleicht nicht gerade die Saphire, werde ich ihm zurückschicken. Und wenn ich wieder in England bin, kehre ich zu Ernest zurück, und dann gehen wir nach Amerika, und du wirst mitkommen, und zum Lohn dafür, dass du die treueste aller
Freundinnen bist, suchen wir dir einen anderen Wiggle. Vielleicht überlässt dir der König Slippers Welpen ja trotzdem. Was sagst du dazu, Liebling?«
Die Tränen waren getrocknet, und die altvertraute Zuversicht zeigte sich ebenso unerwartet wie Sterne an einem trüben, wolkenverhangenen Nachthimmel. Evangeline war über diese dramatische Wendung der Dinge so verblüfft, dass sie Wallis mit offenem Mund anstarrte. Natürlich war sie nicht die einzige Kreuzfahrtreisende gewesen, die gemerkt hatte, dass es zwischen Wallis und dem König nicht zum Besten stand. Doch diese folgenschwere Entscheidung war eine Kehrtwende, die selbst Evangeline nicht vorausgeahnt hatte. Für sie wäre es unter keinen Umständen vorstellbar, die bedingungslose Hingabe eines Mannes aufzugeben. Und dann noch die Liebe eines Königs – das würde nur eine Geisteskranke in Betracht ziehen.
Trotz allem war Evangeline gerührt über Wallis' Geständnis und das Vertrauen, das sie ihr damit bewiesen hatte. Sie würden wieder richtige Freundinnen sein und könnten Pläne schmieden. Ihrer beider Leben würde eine gemeinsame Richtung nehmen. Evangeline durchdachte rasch einige der Konsequenzen, die Wallis' Entscheidung nach sich ziehen würde. Sie war überzeugt, dass der König sich nicht so leicht geschlagen geben würde in seinem Versuch, Wallis zu halten. Zu oft hatte sie erlebt, wie er Wallis ansah. Trotz (oder war es wegen ?) der robusten Art, auf die Wallis mit ihm umsprang, stand es außer Frage, dass er in Wallis sehr verliebt war. Gleichwohl, Wallis war störrisch. Welche Hindernisse der König ihr auch in den Weg legen mochte, Wallis würde triumphieren. Dessen war Evangeline sich sicher.
Evangeline empfand eine ungewohnte Erleichterung. Es war ein schwieriges Jahr gewesen, aber ein Jahr, auf das sie mit Rührung zurückblicken würde, besonders auf die Zeit, die sie vor Joans schrecklicher Erkrankung mit den Blunts verbracht hatte. Sie wunderte sich, dass sie die Loyalität ihrer alten Schulfreun
din hatte anzweifeln können. In einer beispiellosen Geste streckte sie ihre mollige Hand aus und drückte Wallis' nackte Fingerknöchel. Es fühlte sich an, als griffe sie nach den Überresten eines gebratenen Truthahns, von dem der arme Wiggle noch die letzten Fleischfasern genagt hatte.
»Ich bewundere dich, Wallis«, sagte sie und überwand den Impuls, ihre Hand umgehend wieder zurückzuziehen. »Die meisten Frauen würden den Mut, den du eben gezeigt hast, nicht aufbringen. Und du sollst wissen, dass du auf meine Freundschaft zählen kannst. Dass du dich mir anvertraut hast, werde ich dir nie vergessen.«
Als sie nach England zurückgekehrt waren, hörte Evangeline mehr als zwei Wochen lang nichts von Wallis. Sie machte sich keine Sorgen. Sie wusste, die Aussöhnung mit Ernest und die Rückgängigmachung der rechtlichen Schritte, die für die Scheidung eingeleitet worden waren, würden eine Weile in Anspruch nehmen. Wallis würde aus dem Haus am Regent's Park, in dem sie sich nach dem vorübergehenden Bruch mit ihrem Mann eingemietet hatte, wieder in die Nummer 5 Bryanston Court ziehen. Sie rechnete auch damit, dass Wallis die Überfahrt für sie drei nach New York bereits gebucht hatte. Wallis hatte versprochen, sie alle würden, eine besonders schöne Aussicht, auf der neuen Queen Mary reisen.
Eines Tages aß Evangeline in St John's Wood allein mit Philip zu
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