Als Mrs Simpson den König stahl
sehen konnte, bis der Kellner kam, um sie wegzuräumen. Am folgenden Morgen klopfte Evangeline an Wallis' Tür an. Als niemand antwortete, drückte sie die Klinke und trat ein. Wallis lag noch im Bett, ihr sonst makelloser Mittelscheitel war einer unordentlichen Linie gewichen, die sich über ihre Kopfhaut schlängelte. Sie trug ein blasses pfirsichfarbenes Bettjäckchen aus seidigem Stoff mit einer Borte aus Schwanendaunen. Die verwaschene Farbe betonte ihren fahlen Teint. Wallis litt schon lange unter schrecklichen Hautproblemen. Und Evangeline wusste, dass ihre weithin gerühmte glatte Gesichtshaut ausschließlich Mrs Gladys Furlonger zu verdanken war, einer Königin aus eigenem Recht, wenngleich sie kein Königreich beherrschte, sondern die Kunst der Gesichtsmassage. In Mrs Furlongers Händen lag, solange die Wirkung ihrer kostspieligen Pflege nicht nachließ, das Geheimnis ewiger Jugend. Wallis, die auf der Kreuzfahrt auf Mrs Furlongers heilende Magie hatte verzichten müssen und trotz ihres Babyhäubchens übermäßigen Mengen mediterraner Sonne ausgesetzt gewesen war, sah erschöpft, unattraktiv und mitgenommen aus. Einen Moment lang spürte Evangeline eine Mischung aus Mitleid und Zuneigung in sich aufsteigen.
»Vangey, komm her und setz dich«, sagte Wallis leise und klopfte auf die Bettdecke, die unter der Masse verstreuter Zeitungsausschnitte fast nicht zu sehen war. »Gott sei Dank bist du hier. Du bist meine älteste und liebste Freundin, besonders jetzt, wo diese Ratte Mary mich verraten hat.«
Fest entschlossen, ihre Hände nicht von Wallis' beängstigend knochigem Griff umklammern zu lassen, verschränkte Evangeline die Arme vor der Brust. Wallis fing an zu schniefen, und bald liefen ihr leidenschaftliche Tränen über die Wangen, die
in die dicke Schicht Grundierungscreme von Elizabeth Arden kleine Rillen gruben.
»Was ist denn, Wallis, Liebling?« Evangeline spürte, dass eine Beichte unmittelbar bevorstand, und ihre liebliche Stimme war voller Mitgefühl.
»Ich kann's einfach nicht, Evangeline. Verstehst du? Ich kann nicht, und ich will nicht.«
Es trat eine Pause ein, gefolgt von einem langgezogenen Seufzer. Evangeline wartete.
»Der Termin für meine Scheidung ist bereits für Ende nächsten Monats festgesetzt. Ernest hat einer von David vorgeschlagenen Vereinbarung zugestimmt, und beide Männer haben mir versichert, dass Einvernehmen zwischen ihnen herrscht. Ernest ist viel zu lieb, um groß Theater zu machen, obwohl ich zugeben muss, dass ich mir das manchmal wünschen würde. Aber Vangey, ich glaube nicht, dass ich die Sache durchziehen kann. Ernest und ich gehören zueinander. Mary bedeutet ihm nichts, da bin ich mir sicher. Und auch wenn manche Leute Ernest ein bisschen langweilig finden, ich bin bei ihm in guten Händen. Wir kommen gut miteinander aus.« Wallis redete weiter, und in ihrer Stimme schwang jetzt der Klang unbeugsamer Entschlossenheit mit. »Mir reicht's. Ernest gibt mir Sicherheit. Er gibt mir eindeutig Sicherheit. Deshalb muss ich so schnell wie möglich weg von David. Ich habe nie gewollt, dass es so weit kommt. Nie.«
»Das meinst du doch nicht etwa ernst?«, unterbrach Evangeline sie. Inzwischen zitterte auch ihre Stimme leicht, doch Wallis bedeutete ihr mit einem Handwedeln, zu schweigen. Sie versuchte, sich zu fangen, und setzte ihr ausführliches Geständnis fort.
»Dauernd zitiert er aus der Bibel, Vangey. Er sagt, alles hat seine Zeit, weinen und lachen, zerreißen und zunähen … und –«
Wallis brach ab und lachte überraschend grimmig auf, bevor sie fortfuhr.
»Und damit meint er nicht etwa diese verdammten Gobelins, an denen er dauernd stickt. Jedenfalls behauptet er, dass ein jegliches seine Zeit habe, und seine Zeit, zu heiraten, sei jetzt gekommen. Gott steh mir bei, Vangey, in welchen Schlamassel bin ich da nur geraten? Ich habe das Gefühl, ich werde verrückt! Ich glaube tatsächlich, ich werde wieder krank. Nicht nur diese verdammte Erkältung, all die Magenbeschwerden, die ich früher im Jahr hatte, melden sich wieder.«
Wallis ließ sich wie vom Leben besiegt auf die Kopfkissen zurückfallen. Beide Frauen waren von den Implikationen des Gesagten so schockiert, dass sie schwiegen.
»Reich mir doch bitte die Zobelstola dort drüben, Vangey, sei so lieb«, bat Wallis Evangeline und deutete dabei mit einer schwachen Handbewegung auf einen Stuhl.
Die knöchrigen Finger waren nicht mit der üblichen Vielzahl von Ringen bestückt, aber als
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