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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Nicolson
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gekommen, weil Wallis ihn unbeabsichtigt hinein
gestoßen hatte. Schließlich würden sich die meisten Männer in die Arme einer anderen Frau flüchten, wenn ihre Ehefrau ein Verhältnis mit einem König hätte. Evangeline folgerte, dass Wallis flatterhaft war, die Sorte Frau, die sich von Stellung, Speichelleckerei, Macht und Edelsteinen verführen ließ. Wallis hatte nicht nur Verrat an dem glücklosen Ernest begangen, ihr Verhalten lief auch auf einen Verrat an Evangeline hinaus. Und die Anmaßung dieser Frau, ihr den Hund aufzuhalsen, ohne auch nur bitte zu sagen, war der Tropfen, der für Evangeline das Fass zum Überlaufen brachte.
    Evangeline blieb an Joans Schreibtisch sitzen und versuchte die Natur des Verrats zu ergründen. Sie war wütend und hoffte, sich beruhigen zu können, indem sie die Ursache ihrer Wut analysierte. Sie zwang sich sogar zu dem Eingeständnis, dass sie aus dem allmählichen Scheitern der Beziehung zwischen Wallis und dem König Vergnügen gezogen hatte. Das Konzept des » WE «, der kombinierten Initialen der beiden Liebhaber Wallis und Edward, ihre private Chiffre, hatte ihr Übelkeit bereitet. Zudem hatte es Erinnerungen an den Geheimcode geweckt, den sie und Wallis als Schulmädchen gehabt hatten. Gel-lis. Plötzlich fand sich Evangeline von einer mächtigen Welle der Eifersucht überwältigt; der Schwur der Freundschaft, den sie erst unlängst in dem Pariser Hotel geleistet hatte, war ganz und gar außer Kraft gesetzt.
    Evangeline schlug Joans Telefonbuch auf und suchte nach einem Eintrag. Als sie kurz darauf eine Nummer wählte und Sir John Reith sich meldete, kam sie ohne Umschweife zur Sache.
    »Oh, Sir John. Hier spricht Evangeline Nettlefold. Sie erinnern sich? Nun ja, mir fiel ein, dass Sie mir etwas über meine samtene Stimme gesagt hatten. Sehr freundlich! Ich habe mir noch einmal unser entzückendes Gespräch bei Philips Abendessen in Cuckmere vor einigen Wochen durch den Kopf gehen lassen und beschlossen, dass ich Ihren Vorschlag sehr gerne an
nehmen würde, Ihren Zuhörern einen Geschmack von meinem Land zu geben. Ich habe nur eine Bedingung. Könnten wir das Vorhaben vorerst für uns behalten? Ich möchte Wallis eine Überraschung bereiten.«
    Nachdem Evangeline mit Sir John ein diskretes Rendezvous verabredet hatte, um die Idee näher zu erörtern, legte sie in dem befriedigenden Gefühl, vielleicht doch noch die Oberhand gewinnen zu können, den Hörer sachte wieder auf die Gabel.

HERBST
Loyalität
     

19
    May und Sarah saßen im Queen's Arms, obwohl es erst elf Uhr morgens war. Sarahs Bauch, der inzwischen zu einer Größe angeschwollen war, die es ihr erschwerte, es sich in einem der Sessel zu Hause bequem zu machen, hatte kürzlich entdeckt, dass die Barhocker im Pub eine ganz komfortable Sitzmöglichkeit boten. Danny, der Wirt, brachte den beiden Tee und einen Teller mit Ingwerkeksen seiner Frau. Es erinnerte May an die jüdische Sitte, Besuchern als Willkommensgruß etwas Essbares anzubieten. Abgesehen von den allgegenwärtigen Zuckergussplätzchen in Berthas Plantagenküche, hatte es einen solchen Brauch in Mays Kindheit nicht gegeben. Mahlzeiten im Allgemeinen stellten weniger einen Genuss als vielmehr eine Tortur dar, die man notgedrungen über sich ergehen lassen musste.
    May war froh, wieder in London zu sein. Natürlich hatte sie sich darauf gefreut, ihren Bruder zu sehen und von seinen Abenteuern im Mittelmeer zu hören, vor allem aber wollte sie unbedingt mit Sarah sprechen. In Barbados hatte sie nur wenige Freundinnen gehabt, unter anderem weil sie den größten Teil ihrer Zeit auf der Plantage verbrachte. Doch selbst in der Schule hatte sie sich keinem der anderen Mädchen sonderlich nahe gefühlt. Es hatte sogar Zeiten gegeben, da ihr die Sticheleien wegen ihrer ungewöhnlichen Hautfarbe das Gefühl gegeben hatten, der winzigen Gemeinschaft, die in der Nähe von Speightstown lebte, nahezu vollkommen entfremdet zu sein. Sie hegte den Verdacht, dass man sie für eine Kuriosität hielt, und hatte sich danach gesehnt, endlich irgendwo dazuzugehören. In Sarah hatte sie jetzt die unvoreingenommene Zuneigung einer Frau gewonnen – ein erhebendes Gefühl. Sarah war die Erste, die ihr davon erzählt hatte, wie es war, sich zu verlieben. Mays Mutter hatte immer nur versteckte Andeutungen gemacht. Jetzt war es an May, diese Erfahrung mit jemandem zu teilen – samt den
Freuden und Qualen, die damit einherzugehen schienen. Sie wollte sich von Sarah

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