Als Mrs Simpson den König stahl
Abend. Sie las keine Zeitungen mehr, nicht einmal die Ausschnitte, die ihr Bruder aus Amerika schickte. Sie war der falschen Gerüchte überdrüssig, die durch die europäische und amerikanische Presse geisterten, und in der Frage, was davon man drucken durfte und was nicht, unterwarfen sich die britischen Zeitungen einer solchen Selbstzensur, dass sie keinen Sinn darin sah, sie zu lesen. Das Radio war ihre liebste Informationsquelle geworden.
In dem selbstzufriedenen Gefühl, es besser zu wissen, lausch
te sie Philips Geschichten, denen zufolge Wallis sich mit dem König, den Mountbattens und ihren alten Freunden, den Hunters, in Schottland aufhielt. Die Gerüchte seien in den Hofnachrichten der Times vom Vortag bestätigt worden, sagte er. Im Unterhaus habe es kritisches Gemurmel gegeben, weil der König in Schottland eine offizielle Verpflichtung abgesagt habe, dann jedoch von einem Pressefotografen dabei gesehen worden sei, wie er eigenhändig zum Bahnhof von Aberdeen gefahren war, um einen »speziellen Gast« abzuholen. Außerdem hatte Philip gehört, die Säle von Balmoral, die noch mit den originalen, von Königin Victoria ausgewählten Schottenstoffen geschmückt seien, hätten in den letzten beiden Wochen ein noch nie dagewesenes Ausmaß an Fröhlichkeit erlebt. Mit einem Augurenlächeln versicherte ihm Evangeline, die Gerüchte seien ganz und gar unbegründet. Die Hofnachrichten der Times mussten Wallis irrtümlich aufgeführt haben. Evangeline tippte sich an die Nase und erklärte ihm mit einem entschuldigenden Lächeln, dass sie ihn nicht näher in Wallis' Pläne einweihen könne, da sie zu Verschwiegenheit verpflichtet sei.
Als eine Woche später in St John's Wood das Telefon auf Joans lange nicht benutztem Schreibtisch klingelte, hob Evangeline den Hörer ab. Am anderen Ende hörte sie Wallis' ruhige Stimme und war froh, dass diese sich von ihrer folgenschweren Pariser Entscheidung so schnell erholt hatte. In der Tat, Wallis war eine Frau von beträchtlicher Widerstandskraft.
»Vangey, Liebling! Wie geht es dir?«
»Noch nie so gut, Wallis, meine Liebe. Ich freue mich darauf, dich zu sehen.«
»Ach so, ja, ich fürchte, es gibt da eine kleine Schwierigkeit. Für die nächste Woche oder sogar etwas länger kann ich keine Pläne machen«, erwiderte Wallis kleinlaut. »Ich vermute, du hast den Hofnachrichten entnommen, dass ich in Schottland war? Nun, ohne auf Dinge einzugehen, die, wie ich finde, lieber unausgesprochen bleiben sollten«, und an dieser Stelle nahm
Wallis' Stimme einen verschwörerischen Ton an, »ich werde eine Weile abtauchen. Ich habe im Claridge's gewohnt, werde jetzt aber die nächsten paar Tage in einem kleinen Haus in Felixstowe in Suffolk verbringen. Falls du dir Sorgen machst, Kitty und George Hunter begleiten mich, damit ich nicht allein bin. Diese juristische Angelegenheit, du verstehst schon, derentwegen ich nur meine engsten verheirateten Freunde um mich haben will. Aber es gibt keinen Grund zur Beunruhigung. Tut mir leid, dass ich jetzt nicht vorbeikommen kann, um zu reden. Es gibt so viele Leute, die meine Zeit beanspruchen. Nach meiner Rückkehr aus Suffolk werden wir, glaube ich, drei Wochen lang jeden Abend Dinnereinladungen haben! Aber ich verspreche, anzurufen, sobald ich kann.«
Bevor sie auflegte, fügte sie noch hinzu: »Oh, und Vangey, bist du so lieb und führst Slippers Welpen aus, solange ich weg bin? Ich habe Osborne gebeten, ihn vom Fort in die Hamilton Terrace bringen zu lassen. Wir haben deinen Vorschlag aufgegriffen und ihn Loafer genannt, um das Schuhthema fortzuführen und ihn daran zu erinnern, dass er einer Amerikanerin gehört! Ich weiß, dass du dich freust, für mich auf das kostbare Tier aufzupassen.«
Die Stimme wurde von einem so plötzlichen Klicken verschluckt, dass Evangeline keine Zeit blieb, zu antworten. Offenbar hatte ihr Gespräch in Paris keinerlei Bedeutung gehabt. So also war es, wenn man sich in der Gesellschaft von Königen sonnte! Wallis musste doch wohl einsehen, dass es ein Fehler war, ihr Verhältnis mit dem König fortzusetzen, statt auf der Stelle zu Ernest zurückzukehren. Besaß sie denn gar keinen Anstand, dass sie ihre Tändelei nicht sofort beendete? Was war nur in sie gefahren, dass sie die Scheidung von ihrem Mann weiter vorantrieb? Hatte Wallis nach dem Fiasko ihrer ersten Ehe nicht gelernt, dass anständige Männer wie Ernest nur schwer zu kriegen waren? Zu der Affäre mit Mary Raffray war es bestimmt nur deshalb
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