Als Mutter verschwand
gerade unter Qualen ein Kind gebar. Eigentlich war ich ja gekommen, um mir meine Schüssel mit Mehl wiederzuholen, aber stattdessen habe ich in der dunklen, engen Küche einen Topf von der Wand genommen und Wasser heià gemacht. Ich schob dich beiseite, weil du sowieso nicht wusstest, was tun, und nur nervös herumgeflattert bist. Ich nahm die Hand deiner Frau. Ich hatte sie noch nie gesehen, aber jetzt feuerte ich sie an: »Pressen! Fester pressen!« Ich weià nicht, wie lange es gedauert hat, bis endlich der Schrei des Babys kam. In deinem Haus gab es keinen einzigen Strang Seetang, um deiner Frau Seetangsuppe zu kochen. Deine alte Mutter war blind und anscheinend schon auf dem Weg in die andere Welt. Nachdem ich dem Baby auf die Welt geholfen hatte, schöpfte ich Mehl aus meiner Schüssel, machte erst Nudeln, dann Nudelsuppe, füllte ein paar Schalen und brachte eine der Kindsmutter.
Wie lange ist es her, dass ich danach die Schüssel wieder auf den Kopf genommen habe und nach Hause gegangen bin? Ist der Mann, der jetzt an deinem Bett steht, das Baby, das damals zur Welt kam? Er wischt dir die Hand mit einem Schwamm ab. Er dreht dich um und wäscht dir den Rücken. Wie die Zeit vergeht. Dein straffer Hals ist jetzt ganz faltig. Deine Augenbrauen sind nicht mehr dicht, und deinen Mund erkenne ich nicht wieder. Wie vorher der Doktor fragt jetzt dein Sohn: »Vater! Wie heiÃt du? WeiÃt du, wie du heiÃt?«
»So-Nyo Park.«
Nein, so heiÃe ich.
»Wer ist So-Nyo Park, Vater?«
Das möchte ich auch wissen. Wer bin ich für dich?
Eine Woche nach unserer ersten Begegnung nahm ich, weil mir eure Situation keine Ruhe lieÃ, einen Strang Seetang und ging zu euch, aber da war nur das Neugeborene, und deine Frau nicht mehr. Von dir erfuhr ich, dass deine Frau nach der Geburt drei Tage hohes Fieber gehabt hatte und dann gestorben war. So unterernährt, wie sie war, hatte sie die Strapazen der Geburt nicht überlebt. Deine blinde Mutter saà auf dem alten Maru, und es war nicht klar, ob sie wusste, was los war. Bei ihr saà der Dreijährige. Vielleicht ist er ja auch der Mann an deinem Bett und nicht das Baby.
Ich weià nicht, was ich für dich war, aber du warst für mich ein Freund, der mich durchs ganze Leben begleitet hat. Wer hätte das gedacht, nachdem du mich bei unserer ersten Begegnung in solche Verzweiflung gestürzt hattest, indem du mit dem Mehl auf und davon fuhrst, das ich brauchte, um meine Kinder satt zu kriegen. Unsere Kinder würden das mit uns nie verstehen. Da können sie noch eher begreifen, warum im Krieg Hunderttausende Menschen gestorben sind.
Nachdem deine Frau tot war, konnte ich nicht einfach wieder gehen, also weichte ich den Seetang ein, den ich mitgebracht hatte. Ich knetete Teig aus dem Rest von dem Mehl, das ich dir das letzte Mal dagelassen hatte, und machte Nudelsuppe mit Seetang. Ich stellte jedem von euch eine Schale Suppe auf den Tisch und wollte schon gehen, blieb dann aber noch da und legte das Neugeborene an meine Brust. Dabei hatte ich kaum genug Milch für meine eigene Tochter. Du bist dann immer mit dem Baby im Dorf herumgegangen und hast andere Frauen um Muttermilch angebettelt. Das Leben ist manchmal furchtbar zerbrechlich, aber manchmal auch erstaunlich zäh. Meine ältere Tochter sagt, wenn man Unkraut mit dem Traktor mäht, klebt es an den Traktorrädern fest und verstreut seine Samen, vermehrt sich also noch in dem Moment, in dem es abgeschnitten wird. Dein Baby saugte so wild, dass ich das Gefühl hatte, es würde mich ganz aussaugen, also klapste ich es auf den Po, der immer noch so rot war wie bei der Geburt. Als das nichts nützte, musste ich den Kleinen regelrecht von mir abreiÃen. Ein Baby, das seine Mutter schon bei der Geburt verliert, will instinktiv nicht loslassen, wenn es eine Brustwarze zu fassen bekommt. Als ich das Baby hingelegt hatte und gehen wollte, hast du mich gefragt, wie ich heiÃe. Du warst der erste Mensch, der mich das fragte, seit ich verheiratet war. Ich war plötzlich ganz schüchtern und zog den Kopf ein.
»So-Nyo Park.«
Da hast du gelacht. Ich weià nicht warum, aber ich wollte dich noch mal zum Lachen bringen. Also habe ich dir ungefragt erzählt, dass meine ältere Schwester Tae-Nyo hieÃ, »groÃes Mädchen«. GroÃes Mädchen und Kleines Mädchen, so hieÃen wir. Und wie du gelacht hast! Dann hast du gesagt,
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