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Als ploetzlich alles anders war

Als ploetzlich alles anders war

Titel: Als ploetzlich alles anders war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Dierks
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Mädchen. » Tschüss, Mädchen im Rollstuhl!«
    » Tschüss, Mädchen mit der Zahnlücke«, Louisa griff in die Räder und rollte den Gang hinunter, bis zur letzten Tür.
    Das war er, Raum 13, wenn das kein schlechtes Vorzeichen war, dachte Louisa. Nun wieder Zähne zusammenbeißen und sich bloß nicht anmerken lassen, wie hilflos sie sich fühlte. Sie hatte ihren Auftritt schließlich wochenlang geübt.
    » Louisa ist da«, rief Fee. Was natürlich lieb gemeint war, aber sie erreichte damit auch, dass jedes Lachen und alle Gespräche sofort verstummten, als Louisa in die Klasse rollte.
    Außer Fee und Hatice hatte Louisa seit dem Unfall keiner gesehen. Frau Rust, ihre damalige Lehrerin, hatte sie einmal in der Reha-Klinik besucht, ihr kleine Geschenke von den Schülern und einen Brief mitgebracht, den alle unterschrieben und mit Stickern beklebt hatten. Wir wünschen uns, dass du bald wieder gesund bist!!!
    » Hallo, Leute«, sagte Louisa. Sie sah, wie es in den Gesichtern einiger ihrer Mitschüler zuckte. Fast jeder, der sie jetzt zum ersten Mal sprechen hörte, reagierte so.
    » Hallo, Louisa«, kam es von einigen zurück. Manche versuchten, zu lächeln, was aber sehr angestrengt wirkte, als ob es eigentlich gar keinen Grund für ein Lächeln, sondern eher einen zum Heulen gäbe. Louisa kannte das schon, aber es machte sie immer noch traurig.
    » He, Süße, da bist du ja endlich«, Hatice kam auf Louisa zu, beugte sich zu ihr hinunter und umarmte sie. » Schön, dich wiederzuhaben.«
    » Wir haben einen Platz für dich freigehalten«, sagte Fee.
    Ein schöner Platz am Fenster, außer Fee und Hatice saß noch Niki da, was Louisa einen kleinen Stich versetzte. Waren Fee und Hatice jetzt etwa auch mit der befreundet? Mit Niki, der Streberin, die keine von ihnen früher leiden konnte.
    Was war noch alles passiert, wovon Louisa keine Ahnung hatte? So viel versäumte Zeit, die sich niemals mehr aufholen ließ.
    Plötzlich spürte Louisa eine backsteinschwere Last auf ihrem Herzen, als würde ihre Brust so fest zusammengedrückt, bis sie irgendwann keine Luft mehr bekäme. Alle waren nett zu ihr, keiner gaffte so wie die anderen vor der Schule eben. Doch Louisa spürte die Befangenheit hinter ihren vorsichtigen Fragen, den verstohlenen Blicken und nervösen Gesten. Kommst du gut klar? Alles okay mit dir? Als gäbe es auf diese Frage für sie nur eine einzige Antwort– NEI N . Und allein deswegen müsste man sie auf jeden Fall schonen.
    Louisa rollte zu ihrem Tisch, drückte die Bremshebel hinunter und schwang sich aus dem Rollstuhl auf ihren Sitzplatz.
    » He, das klappt ja schon prima«, sagte Niki.
    Was wusste die denn? Louisa musterte sie mit einem vernichtenden Blick. Ihrem » da-gefriert-einem-das-Blut «- Blick, für den Louisa früher berüchtigt war. Wenn du sauer bist und einen so anschaust, dann kriegt man echt eine Gänsehaut, hatte Hatice mal gesagt.
    » Ach ja? Und woher willst du das wissen, Niki? Hast du etwa schon mal im Rollstuhl gesessen, oder was?«, fragte Louisa spöttisch und Niki schoss die Röte ins Gesicht.
    Fee und Hatice wechselten einen stummen, bedrückten Blick.
    » Sie ist ganz okay, wenn du sie besser kennst«, sagte Fee, als Niki noch mal schnell auf die Toilette geflitzt war.
    » Hej, das ist mir doch egal«, sagte Louisa forsch. Aber das war nur Show, Louisas Mich-macht-keiner-fertig-Theater. Auch nicht die Tatsache, dass sie ganz schnell durch ein Mädchen ausgetauscht worden war, das ihre Freundinnen früher gar nicht beachtet hatten. Innerlich weinte Louisa bittere Tränen.
    Selbstmitleid nützt dir gar nichts, sagte die Krankengymnastin immer, wenn Louisa sich doch mal beklagte und dann wirklich nur noch Louisa Jammerlappen war. Ichkannnichtmehrichwillnichtmehrwarumichwarumdasalleswarumverdammtnochmalich?
    Manchmal tat es einfach gut, ganz tief in die eigene Traurigkeit hinabzutauchen und nicht immer so zu tun, als wäre alles nur halb so schlimm. Es war schlimm. Warum zur Hölle durfte man das nicht sagen, wenn es doch aber so war?
    Wenn sie jetzt hemmungslos losheulen würde, was würde dann wohl passieren?
    Fee oder Hatice– eine von beiden– würde sie dann bestimmt in die Arme nehmen, sie trösten und ganz wunderbare Sachen zu ihr sagen. Dass sie immer ihre beste Freundin bliebe und dass Niki niemals, nie ihren Platz einnehmen könnte. Doch nicht Niki, die hatte doch kein Format! Vermutlich wäre das aber auch nur eine barmherzige Lüge, weil selbst Fee und Hatice ebenso

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