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Als würde ich fliegen

Als würde ich fliegen

Titel: Als würde ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Evans
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Kopf sei ein fernes Geräusch, ein Marschieren, als ob seine Gedanken Stiefel trügen. Ungefähr zu der Zeit begann er, Tabletten zu nehmen. Die Pillen besserten seine Stimmung. Riley genoss es, wie stets, dass er der Vertraute war, der einzige Mensch, der Antoneys Persönlichkeit in all ihren Facetten und in vollem Umfang erfasste. Ganz tief in seinem Innern aber war es ihm lieber, wenn Antoney niedergeschlagen war, dann waren sie einander näher.
    Eines Morgens begegneten sie Carla bei einem Spaziergang durch ihr Viertel. Sie war mit dem Baby und Denise unterwegs. Bei ihrem Anblick setzte Rileys Herz einen Taktschlag aus. Antoneys Herz ebenfalls. Das Haar perlte ihr über die Schultern. Sie sah sehr gut aus, ihre großen Augen strahlten. Sie lächelte, als sie Antoney sah, aber es war bloß ein freundliches Lächeln und verebbte bald wieder, als wollte sie sich hinter ihrem Ernst verbarrikadieren. Sie sah sehr weiblich aus in ihrer Jeans und einem Oberteil aus Lochstickerei, das, so bemerkte Antoney hinterher, offenbar neu war.
    »Geht es dir gut?«, fragte sie ihn.
    »Es geht. Du siehst toll aus«, fügte er schüchtern hinzu.
    Sie wich seinem Blick aus, ignorierte das Kompliment. Antoney hatte sich einen kleinen Bart wachsen lassen und wusste, dass er müde und ungepflegt wirkte, und ihr fiel es auch auf, als sie ihn rasch von oben bis unten musterte, ehe sie Denise aufforderte, ihrem Vater Hallo zu sagen.
    »Hallo, Dad«, sagte Denise. »Lucas hat meine Rosine.«
    »Er hat eine Rosine?«
    Carla hielt den Kinderwagen sehr fest, als sich Antoney darüber beugte. Sie wechselte einige wenige, gestelzte Worte mit Riley.
    »Lucas«, sagte Antoney. »Das ist aber ein schöner Name.« Das Baby sah mit dem erstaunten Blick eines Neugeborenen, mit riesigen Pupillen, fast so groß wie das Weiß seiner Augen, zu ihm auf. Er legte seinen Finger in die kleine, heiße Hand, in die ohne Rosine, und als der Finger gedrückt wurde, meldete sich der Kloß in seinem Hals. Es widerstrebte ihm, dass er fragen musste, wie alt genau das Baby war (fast drei Monate), ob es gut aß und gut schlief.
    »Braucht ihr was?«, fragte er. »Was zum Anziehen oder so?«
    »Ich komme zurecht. Wir müssen los, wir sind mit Simone verabredet.«
    »Na gut. Okay. Nun, vielleicht sehe ich dich irgendwann mal wieder, hier irgendwo.«
    Sie lächelte kurz. »Pass auf dich auf.«
    »Bye, Daddy«, sagte Denise.
    »Warte.« Antoney eilte ihnen hinterher. »Ich hab was für ihn. Ich hab es jetzt nicht bei mir, aber … vielleicht könnte ich ja mal vorbeikommen und es abgeben.«
    »Oh«, sagte Carla. »Also, ich weiß nicht. Ich werde jemanden bei Gelegenheit zu Riley schicken, um es abzuholen, okay?«
    Er schaute ihnen nach, als sie unter den Linden davongingen, bis er sie nicht mehr sehen konnte.
    »Hast du bemerkt, wie sie mich angelächelt hat?«
    »Das ist mir nicht aufgefallen«, erwiderte Riley.
    Die Rushwood-Sauna an der Fifth Avenue, einer Nebenstraße der Harrow Road, war wahrlich kein Ort für einen heißen Sommerabend, und genau aus diesem Grund gingen Carla und Simone vierzehn Tage später dorthin. Mrs. Earlene Rushwood, die aus St. Lucia stammte, hatte die Sauna 1963 unter dem Eindruck des britischen Winters, der sie viel über Finnland nachdenken ließ, eröffnet. Nach neun Jahren der Schufterei wurde die Sauna unter einem palmengeschmückten Banner eingeweiht. Andere Wintergeplagte strömten aus den nahe gelegenen Avenuen herbei, aus der First, Third, Fourth und von noch weiter her, sie kamen mit Duschhauben, Handtüchern, Bürsten, Kämmen, Zitronen, um die Haut zu reinigen, und einer Vielzahl von Ölen und Cremes. Sie schlugen sich gegenseitig mit ihren Handtüchern, seufzten laut und tauschten den neuesten Klatsch aus, und über allem hing der intensive Geruch nach Zitrone, deren Schalen unter den Bänken der Umkleidekabinen landeten – ein stetes Ärgernis für Mrs. Rushwood, die sie dort jeden Abend aufsammeln musste, obwohl sie auf Schildern mit großen, fetten Buchstaben darum bat, den Abfall in die Eimer zu werfen. Carla und Simone hatten die Stoßzeiten immer vermieden, weil es dann in der Sauna so laut war. Wenn einen schon die Hitze auf die Bank drückt, will man nicht auch noch niedergebrüllt werden.
    »Er hat mich gestern Abend angerufen«, sagte Simone. Sie lag auf der obersten Bank, Carla auf der unteren, beide mit Bademützen und im Bikini. Ihnen gegenüber legten sich zwei Frauen auf die Bänke und hörten der Unterhaltung

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