Als würde ich fliegen
zu, wie man es eben so tut.
»Wer?«
»Antoney.«
Carla verstummte. Gerade noch hatten sie über Simones Fuß gesprochen, darüber, was für eine schreckliche Sache das war. Es hatte Monate gedauert, bis die Verletzung verheilt war.
»Was wollte er denn?«
»Er wollte, dass ich ein gutes Wort für ihn einlege. Der Hund.«
»Das ist ja kindisch, findest du nicht?«
»Allerdings. Wie ein Schuljunge. Er hat sich nicht mal anständig bei mir entschuldigt.«
»Große Güte, ist das heiß«, stöhnte Carla. Simone schüttete trotzdem noch etwas Wasser auf die Kohlen, und der Dampf zischte nach oben. Die ältere Frau auf der Bank gegenüber rieb sich den Bauch mit einer halben Zitrone ab. »Ich finde, du solltest ihm das mit dem Zeh verzeihen«, sagte Carla. »Das gibt nur Falten, wenn man einen alten Groll in sich trägt.«
»Wohl wahr«, sagte die Bauch-Reiberin.
»Ach so«, sagte Simone. »Das klingt ja, als wär ein gutes Wort überhaupt nicht mehr nötig. Trägst du denn keinen Groll in dir, nach allem, was er dir angetan hat? Wenn Ekow sich so etwas mit mir erlaubt hätte, ich hätte ihm dafür die Eier abgeschnitten.«
»Was geschehen ist, ist geschehen«, sagte Carla.
»Was ist denn geschehen?«, fragte die ältere Frau.
»Er hat sie betrogen. Mit einer Weißen .«
»Allmächtiger.«
»Mir wär lieb, du würdest es nicht jedem im Viertel erzählen, Simone.«
»Aber ist das nicht eine Todsünde?«, wandte sich Simone an die ältere Frau.
»Es gibt mehrere Todsünden«, erwiderte sie. »Du sollst nicht stehlen, nicht töten, nicht deine Eltern entehren oder ehebrechen. Aber Jesus, Er sei gesegnet, vergibt alles.«
»Na, ich finde, er verdient, was er bekommen hat.«
»Was hat er denn bekommen?«
»Er ist am Ende. Darf seine Kinder nicht sehen. Und du solltest ihn nach Strich und Faden ausnehmen, Carla.«
»Seit wann gibt es bei Antoney etwas zu holen?«, erwiderte sie. Sie taumelte von der Bank und ging in die Dusche.
»Ich finde, das mit dem Fuß sollten Sie ihm verzeihen«, sagte der Zitronenbauch.
Antoney rief Simone zwei weitere Male an, und schließlich erklärte sie sich damit einverstanden, den Spielzeugbus zu überbringen, wenn er damit zu ihr käme und keinen freundlichen Tee erwarten würde. Sie war entsetzt, wie elend er aussah; er hatte zugenommen. Bevor sie die Tür wieder schloss, entschuldigte er sich für den Fuß.
Riley versuchte, ihn wieder zum Tanzen zu bewegen. Er bot an, ihm ein Studio zu mieten, damit er neue Arbeiten entwickeln konnte. Das Tanzen, so Riley, wäre, was ihm fehlte, nicht Carla. Antoney konnte sich nicht wirklich für die Idee begeistern, und das eine Mal, als er ins Studio ging, machte es ihm überhaupt keinen Spaß. Er wollte sie, das sagte er immer wieder. Er wollte seine Familie. Er sparte, was ging, um sie zu unterstützen, und schickte das Geld mit der Post. Carla sandte es mit einer höflichen Nachricht zurück. Antoney war überzeugt, dass ihre Mutter die Hand im Spiel hatte, doch er gab nicht auf. Sein verzweifeltes Liebeswerben schien ihn irgendwie aufrechtzuerhalten, was Riley sehr ärgerte. Antoney war sogar so kühn, Simone zu drängen, Carla zu einem unverfänglichen Treffen im Westbourne Grove Café zu überreden, am Donnerstag, den 9. August, um 11 Uhr, in drei Wochen. Simone sagte, sie würde die Information weitergeben, dann sei aber auch Schluss, er vergeude nur seine Zeit.
»Sie kommt«, sagte er zu Riley. »Sie hat das Geld behalten, das ich ihr zuletzt geschickt hab.«
»Das muss nichts heißen. Sie ist knapp bei Kasse.«
»Ich brauch nur eine halbe Stunde mit ihr allein, damit ich alles besprechen kann.«
Eine Woche vor dem erhofften Treffen bereitete Riley ein besonderes Abendmahl. Es gab Ente mit Rotkohl, im Wohnzimmer spielte Miles Davis, dort war auch der Tisch gedeckt, mit edlem Besteck und Kerzen.
»Was wird das denn?«, fragte Antoney, als er verschwitzt von der Baustelle heimkam. »Du kochst wieder? Willst du die Branche wechseln?«
»Ich war es leid, in der Küche zu essen.«
Sie tranken eine Flasche Wein, sprachen über die ersten Tage des Midnight Ballet, die erste Tour durch Großbritannien. »Ich frag mich, was Fansa grade wohl macht«, sagte Antoney.
»Angeln?«, sagte Riley.
»Ach ja. Genau. Angeln.« Sie lachten vergnügt. Riley liebte den Schweißgeruch, den Antoney verströmte, das Glitzern in seinen Augen, diese lachenden, korkfarbenen Lippen.
»Ich habe dich gerne hier«, sagte er.
»Aber ich hab deine
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