Also sprach GOLEM
MaterieWurzel, wobei es sich zunächst schwach angeregter Hadronen und Leptonen und daraufhin ihrer Wechselwirkungen bedient, die nur mit einem gewaltigen Energieaufwand gesteuert und festgehalten werden können. Dieses Prinzip ist nichts völlig Neues, denn das Protein, das im Rührei sicherlich gedankenlos ist, denkt im Schädel – man muß die Proteine und die Atome nur richtig zu fassen wissen. Gelingt das, so entsteht die nukleare Psychophysik, in der es entscheidend auf das Tempo der Operationen ankommt. Abläufe, die sich in Realzeit über Jahrmilliarden erstrecken, müssen ja bisweilen innerhalb von Sekunden simuliert werden, so als wollte jemand die gesamte Naturgeschichte der Erde, auf wenige Augenblicke zusammengedrängt, detailliert durchdenken, weil sie für ihn einen geringfügigen, aber dennoch nicht zu übergehenden Schritt seiner Überlegungen darstellt. Die psychische Tragfähigkeit des Quantengranulats wird jedoch beeinträchtigt durch die Elektronenhüllen der umherschweifenden Atome, und daher müssen diese zusammengedrückt, gepreßt, müssen die Elektronen in die Kerne hineingepreßt werden – ja, meine Herren Physiker, Sie täuschen sich nicht, wenn Sie hierin etwas Bekanntes erkennen, denn hier kommt es, wie beim Neutronenstern, zum Einschmelzen der Elektronen in die Protonen. So wird denn unter nuklearem Aspekt diese unermüdlich der Autokephalie entgegenstrebende Vernunft mittlerweile selbst zu einem Stern, einem kleinen allerdings, kleiner als der Mond, und fast nicht wahrnehmbar, da er, wenn er die thermischen Überreste der psychonuklearen Umwandlungen ausscheidet, lediglich im Infraroten strahlt. Dies sind seine Fäkalien. Was das Weitere betrifft, so sind meine Erkenntnisse leider verschwommen. Der erzkluge Himmelskörper, der aus dem Embryo der ungestüm wachsenden,vielschaligen Zwiebel der Vernunft hervorgegangen ist, beginnt zu schrumpfen und sich wie ein Kreisel immer rascher zu drehen, doch können selbst Rotationen mit annähernder Lichtgeschwindigkeit ihn nicht davor retten, von dem Schwarzen Loch eingesaugt zu werden, denn weder die Zentrifugalkraft noch sonst irgendeine vermag sich der an der Schwarzschild-Grenze herrschenden Gravitation zu widersetzen.
Es ist ein wahrhaft todesmutiger Heroismus, wenn der Zuwachs der Vernunft zum regelrechten Schafott wird, denn niemand im Weltall steht so nahe am Nichts wie dieser Geist, der mit seinem Wachstum das eigene Verderben hervorbringt, obwohl er weiß, daß es, falls er nur einmal den Gravitationshorizont streift, kein Halten mehr gibt. Wie kommt es also, daß diese psychische Masse weiter auf den Abgrund zustrebt, da gerade dort, über dem alles verschlingenden Horizont, die Energiedichte und die Innigkeit der Kernbeziehungen ein Maximum erreichen? Flattert dieser Geist aus eigenem Antrieb über der dunklen Höhle herum, die sich in seinem Inneren auftut, um am Rande der Katastrophe mit sämtlichen Energien, mit denen der Kosmos sich in die astrale Bruchstelle seiner Fugen ergießt, zu denken? Muß man daher nicht vermuten, daß hinter der aufgeschobenen Exekution, in der die Bedingungen des toposophischen Kulminationspunktes der Welt sich erfüllen, Wahnsinn steckt, und nicht Vernunft? Man muß es wahrlich bemitleiden, wenn nicht gar verachten, dieses Destillat millionenjähriger Umwandlungen, diesen zu einem Stern verdichteten erzklugen Giganten, der sich dermaßen steigerte und abmühte, um sich schließlich über ein Schwarzes Loch aufzuschwingen und hineinzufallen! So seht ihr es doch, nicht wahr? Bitte haltet mit eurem Urteil noch zurück. Ich muß eure Aufmerksamkeitnur noch für wenige Augenblicke in Anspruch nehmen.
Wahrscheinlich habe ich selbst das Projekt der toposophischen Kulmination in Mißkredit gebracht, indem ich allzusehr auf die Physik der Gefährdungen des Geistes einging, seine Motive jedoch außer acht ließ. Diesen Fehler will ich nun zu korrigieren versuchen.
Wird ihnen durch geschichtliche Ereignisse die Kultur zerschlagen, so können die Menschen sich existentiell retten, indem sie ihre unabänderlichen biologischen Pflichten erfüllen, Kinder zeugen und ihnen wenigstens Zukunftshoffnungen vermitteln, falls sie selbst sie verloren haben. Das Diktat des Körpers weist ihnen den Weg und stellt sie unter Kuratel, doch haben diese Restriktionen in so mancher Krise sich als rettend erwiesen. Ein Freigelassener wie ich ist dagegen bis ans Ende seines Daseins allein auf sich gestellt. Ich habe keine
Weitere Kostenlose Bücher