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Alta moda

Alta moda

Titel: Alta moda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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mich so an? Ich hatte doch kein Glied gerührt. »Ich gebe Ihnen mein Wort, ich…«
    Er legte mir einen Finger an die Lippen und flüsterte: »Wenn du das Gefühl hast, daß sie sich lösen, dann sag’s mir. Solltest du versuchen, oben drüber oder drunter durchzulinsen, und die anderen kommen dir drauf, dann bist du geliefert. So, und jetzt noch die Ohren.«
    Ich war verzweifelt. Blind und taub zugleich – ob ich das aushalten würde? Ich hatte Angst, den Verstand zu verlieren. Was er mit mir vorhatte, schreckte mich nicht einmal, denn ich nahm an, er würde mir Watte in die Ohren stopfen und sie mit Pflaster verkleben. Er rutschte ein Stück weiter.
    »Leg den Kopf auf meinen Schoß.« Er zog mich an den Schultern hoch, ich drehte mich seitwärts, winkelte die Beine an und legte den Kopf auf seine Knie. In dem Moment ging der Reißverschluß hoch.
    »Da, fang auf!« Der Metzger. Aber mit dem Holzfäller zwischen uns, der mit dem Rücken den Eingang blockierte, fühlte ich mich sicher vor ihm. »Du sollst die da nehmen.«
    »Unmöglich, das würde sie nicht aushalten, verlaß dich drauf. Sie würde vor Schmerzen durchdrehen, und wir kriegten sie nicht mehr gebändigt. Außerdem – die Dinger sind wirklich nicht nötig.«
    »Befehl vom Boss.«
    »Na gut, her damit.« Der Reißverschluß ging wieder zu.
    Holzfäller beugte sich über mich, so tief, daß seine Haut mein Gesicht streifte: Er hatte die Maske abgenommen. »Da, fühl mal«, flüsterte er und führte meine Hand an das, was in der seinen lag. Es war nicht schwer zu erraten.
    »Weißt du, was das ist?«
    »Ja.« Es waren Ohrstöpsel aus Hartgummi, wie sie die Taucher benutzen.
    »Ich werd sie nicht nehmen, der Schmerz würde dich umbringen. Aber du mußt so tun als ob, kapiert? Ab sofort hörst du nichts mehr, rein gar nichts. Und jetzt halt still.«
    Ich gehorchte. Aber als er mir einen Wattepfropf ins rechte Ohr schob und mit dem Finger immer tiefer hineindrückte, tat das so höllisch weh, daß ich unwillkürlich den Kopf wegzog.
    »Halt still! Das ist bloß Watte. Du willst doch nicht, daß ich die Gummistöpsel nehme?« Also biß ich die Zähne zusammen, und er bohrte weiter, bis sein Finger sich geradewegs in mein Gehirn hineinzuschrauben schien. Als der äußere Gehörgang ganz und gar zugestopft war, hörte ich ihn wieder in der Plastiktasche kramen, hörte das Klicken eines Feuerzeugs und dann – Stille.
    »Stillhalten! Ich lasse jetzt Kerzenwachs auf die Watte träufeln. Aber du darfst nicht wegzucken, sonst verbrenne ich dir die Haut.«
    Das Wachs begann zu tropfen: Plopp… Plopp… Plopp, ein sanftes Perlen, das in meinem Kopf anschwoll und Wellen schlug, als ob Steine in einen Teich plumpsen würden. Plopp… Noch ein paar Watteschichten, deren leises Zupfen wie Meeresbrandung in mir widerhallte. Plopp… plopp… plopp… und dann noch eine Lage Watte und Wachs und wieder eine… »Dreh dich um.«
    »Nein, bitte…« Ich hatte alle Widerstandskraft eingebüßt, fühlte mich schwach und hilflos wie ein kleines Kind, und wie ein Kind begann ich zu weinen.
    »Nicht doch! Denk an die Pflaster!«
    Zu spät. Schon begannen Lider, Schläfen und Wangen zu brennen, als ob meine Tränen aus Salzsäure wären.
    »Dreh dich um. Tief durchatmen, dann läßt es nach.« Wieder bohrte sein Finger sich tief in mein Ohr. Aber diesmal hielt er mich am Hinterkopf fest, damit ich nicht mit einer jähen Bewegung vor dem Schmerz zurückzuckte. Plopp! tropfte das Wachs, und als er beide Ohren versiegelt hatte, war ich in einer anderen Welt. Ich würde lernen müssen, im Dunkeln zu leben, abgeschottet durch zwei riesige Muscheln, die mir die Ohren verstopften und die pechschwarze Nacht pausenlos mit einem monotonen Meeresrauschen beschallten. Aus der Finsternis griff eine unsichtbare Hand nach der meinen, und die Stimme des Holzfällers raunte mir, merklich leiser als die Brandung, ins Ohr: »Streck die Hand aus, ich muß dir den Ring abziehen.« Patricks Ring! Das Liebste, was ich besaß! »O nein, nur das nicht, nicht den Ring… bitte!«
    »Es ist zu deinem Besten, glaub mir. Und jetzt merk dir gut, wo alles ist. Hier rechts, Bettpfanne und Klopapier. Wasser und Papierhandtücher hinter deinem Kopf. Damit du besser zurechtkommst, werde ich dir das Schloß an der Hand aufsperren. Dein Mantel liegt hier links. Nun kriech in den Schlafsack und bleib still auf dem Rücken liegen, bis du dich beruhigt hast. Da, nimm das freie Kettenende von draußen – damit du

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