Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)
Polizeiauto mit Blaulicht auf den Parkplatz des Krankenhauses.
Natürlich haben sie die Polizei verständigt. Wenn jemand mit einer Schusswunde in ein Krankenhaus kommt, rufen sie immer die Polizei.
Zoe wusste, sie würde sich früher oder später mit den juristischen Folgen der Kugel in Rys Schulter auseinandersetzen, sich eine glaubhafte Lüge einfallen lassen müssen, aber noch war sie nicht bereit dazu. Da sie nicht beim Verlassen eines Aufzugs erwischt werden wollte, legte sie die vier Stockwerke zur menschenleeren Eingangshalle über die Treppe zurück. Sie wartete an der Tür, bis die beiden Polizisten aus dem Wagen gestiegen und in der Notaufnahme verschwunden waren.
Draußen blies ein schmerzhaft kalter Wind, der den Schnee zu einem körnigen Eisnebel aufwirbelte. Sie drückte sich an die Wand des Gebäudes, bis die Polizisten nach einer scheinbaren Ewigkeit wieder herauskamen und wegfuhren.
Als sie sicher war, dass sie nicht wiederkamen, fuhr sie mit dem Aufzug in die Chirurgie hinauf, aber sie ging nicht in den Warteraum. Stattdessen schlich sie durch die Gänge und spähte in alle Zimmer, bis sie Ry gefunden hatte.
Einen Moment lang glaubte sie, er sei tot, und das Herz blieb ihr fast stehen. Sein Gesicht sah so wächsern aus, seine Lippen so blutleer. Er lag absolut reglos da, Infusionsschläuche in beiden Armen, und er war an Apparate angeschlossen, die unregelmäßig piepsten.
Es braucht nur einen Tropfen.
Ich schwöre es. Bei meiner Liebe.
Die Ikone und der Film lagen in einem Bankschließfach in St. Petersburg, aber alles, was von dem Knochenaltar jetzt noch übrig war, trug Zoe bei sich, in der Tasche ihres Parkas. In einem Parfumprobenröhrchen, das sie mit einem Papiertaschentuch umwickelt und in eine Bonbondose gelegt hatte, um es vor Zerbrechen und Licht zu schützen.
Langsam und mit klopfendem Herzen nahm sie die Dose heraus und barg sie in ihrer Hand. Sie hatte schrecklich Angst, dass der Saft sie verbrennen, sie verzehren würde, wenn sie der Versuchung zu nahe kam.
Und doch konnte sie nicht aufhören.
Sie ließ die Dose aufspringen, kippte das eingewickelte Röhrchen in ihre Handfläche und schloss die Finger darüber.
Sie blickte in Rys Gesicht. Ich könnte das Röhrchen jetzt auf den Boden fallen lassen, dachte sie. Es unter meinem Stiefel zertreten. Wenn sie es vernichtete, wäre das finstere Vermächtnis des Knochenaltars für alle Zeit verschwunden, zusammen mit seiner leuchtenden, verführerischen Hoffnung.
Wenn sie es zerstörte, würde Ry vielleicht sterben, und sie wusste nicht, wie sie das ertragen sollte.
Wenn er davon trank, würde er leben. So einfach war das. Nicht nur heute und morgen, sondern alle Jahre ihres eigenen Lebens und wer weiß wie lange noch. Sie würde den Schmerz, ihn zu verlieren, nie erleiden. Aber der Altar würde ihn nicht nur retten, sondern auch verändern, vielleicht zu einer Person, die sie nicht mehr lieben konnte. Und wenn er herausfand, dass sie ihm den Knochensaft gegeben hatte, würde er es ihr nie verzeihen. Was hätten sie dann beide gewonnen?
Sie konnte die pulsierende Wärme des Altars sogar durch ihren dicken Handschuh hindurch spüren. Sie sah seinen roten Schein zwischen ihren Fingern hervordringen.
Es braucht nur einen Tropfen.
Aber sie hatte es geschworen. Bei ihrer Liebe.
Epilog
Jost Van Dyke, British Virgin Islands
Fünf Monate später
» Ja, ja, ja«, sagte Zoe und lachte, als Barney noch einmal empört miaute. » Ich sehe, dass du am Verhungern bist. Alle fünfzehn Pfund von dir.«
Zoe machte in der Kombüse Fischsandwichs zum Lunch, während Bitsy auf dem Sofa in der Kabine schlief und Barney um ihre Füße strich und abwechselnd schnurrte und miaute, weil ihnen der Frischkäse am Vortag ausgegangen war und der Hungertod unmittelbar bevorstand. Zu Zoes Erleichterung hatten sich beide Katzen an das Leben auf dem Segelschiff gewöhnt, als wären sie hier zur Welt gekommen.
Zoe summte vor sich hin, während sie die Sandwichs neben den Pommes frites auf den neuen, leuchtend roten Tellern anrichtete, die sie in Road Town gekauft hatten. Sie stellte die Teller auf die schöne Teakholztheke zwischen der Kombüse und dem Wohnbereich, der so gemütlich und farbenfroh war, genau wie der Vorbesitzer des Zweimasters, ein gebürtiger Schotte, der fast dreißig Jahre lang auf Tortola gelebt hatte. Er war so stolz auf sein fantastisches Boot gewesen, dass sie und Ry befürchtet hatten, er könnte weinen, wenn er die Papiere
Weitere Kostenlose Bücher