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Alte Feinde Thriller

Titel: Alte Feinde Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Duane Louis
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Vorstellungen. Ich malte mir aus, dass ein Besoffener meinen Vater mit Zwischenrufen aus dem Konzept gebracht hatte. Wie er wütend wurde, so wie er manchmal auf mich wütend wurde, wenn ich ihm auf den Wecker ging. Wie er den Betrunkenen in der Bar fortschubste, und wie der Typ ihn ebenfalls schubste. Wie mein Dad zum Schlag ausholte, dabei das Gleichgewicht verlor und mit dem Kopf auf die scharfe Kante der Bar knallte. Worauf der betrunkene Typ erklärte, es sei ein Unfall gewesen, und wieder auf freien Fuß kam.
    In meiner Vorstellung wurde diese Version vom Tod meines Vaters schnell zur unumstößlichen Tatsache. Das war die Version, die ich Freunden erzählte, wenn sie erfuhren, dass mein Vater tot war. Und diese Version
war es auch, die ich als Erstsemester im Schreibseminar am College zu einem Aufsatz ausarbeitete. Der Artikel (»Der Mörder meines Vaters«) wurde schließlich im Vierteljahresheft der anglistischen Fakultät abgedruckt und brachte nebenbei meine Journalistenkarriere an den Start, als ein Professor namens Jack Seydow mich ermutigte, für die Uni-Zeitung zu schreiben.
    Laut dieser Version der Geschichte war der Typ, der meinen Vater getötet hatte, nichts weiter als ein besoffener Scheißkerl, der einmal zu kräftig zugeschlagen hatte.
    »Der Mörder meines Vaters«, hatte ich in meinem Aufsatz angedeutet, war er selbst gewesen. Er hatte sich das selbst angetan. Und es fiel mir schwer, ihm das zu verzeihen.
    Mehr oder weniger für den Rest meines Lebens.
     
    Ich hatte einen so dicken Kopf, als wäre er voller Sand. Als ich meine Handflächen gegen die Augen presste, sah ich Sterne, Kometen und Nebelflecken auf mich zurasen. Ich fragte mich, wie lange ich wohl hier noch hocken würde, auf dem Boden dieses dunklen Flurs im Februar 1972, bevor der Traum wieder aufhörte. Würde erneut die Sonne aufgehen und einen anderen Teil von mir wegbrennen? Meine Arme? Meinen Kopf? Vielleicht gab mir die Sonne heute den Rest?
    Und dann wachte ich auf.

     
    Meghan starrte mich an. Ihr blondes Haar war feucht und roch nach Shampoo. Nach dem saubersten, betörendsten Shampoo der Welt. Sie kniete auf einem Bein und berührte meine Brust.
    »Mickey?«
    Ich blinzelte ein paarmal, dann tastete ich die Holzdielen ab, nur um mich zu vergewissern, dass sie auch wirklich da waren.
    »Also. Hi. Äh, wie bist du hier reingekommen?«
    »Du hast die Tür nicht abgeschlossen. Und ich dachte, du hast gesagt, das hier wäre eine üble Gegend.«
    »Die meisten Räuber sind zu faul, um in den zweiten Stock zu stiefeln.«
    Sie setzte sich in den Schneidersitz, dann streckte sie die Hand aus, um meine Stirn zu befühlen. Offensichtlich sah ich ziemlich mitgenommen aus. Erst hatte sie mich frühmorgens in die Notaufnahme eines Krankenhauses bringen müssen. Und jetzt fand sie mich ohnmächtig auf dem Boden wieder.
    »Wie geht’s dir?«, fragte sie.
    »Mir geht’s gut.«
    An ihrem Gesichtsausdruck konnte ich ablesen, dass sie mir nicht glaubte. Ich glaubte mir auch nicht.
    »Möchtest du irgendwas? Ich hab ein paar Truthahn-Sandwiches mitgebracht. Und einen Energiedrink.«
    »Nein, wirklich, mir geht’s gut.«
    Ihr Blick fiel auf den Plattenspieler und auf die Pilot -LP. Die Nadel lief immer wieder über die letzte Rille.
    »Pilot …wow. Ich glaube, mein Dad hatte das Album
auch. Du hast also einen kleinen Abstecher in die Vergangenheit gemacht?«
    Ich biss mir, so fest ich konnte, auf die Zunge.
    Eine Weile blieben wir dort unten auf dem Boden. Um mich herum drehte sich alles - als hätte ich einen Vollrausch, nur ohne die Sauferei. Die winzigen elastischen Schläuche, die Blut durch mein Hirn pumpten, krümmten sich und hämmerten. Im Mund hatte ich den Geschmack von Metall, und ich spürte die dünne Schweißschicht unter meinen Klamotten. Es ging mir zwar nicht so schlecht wie heute Morgen, als ich im Krankenhaus zu mir gekommen war und das Gefühl hatte, man hätte meinen Schädel aufgebrochen. Trotzdem wollte ich mich nicht zu heftig bewegen. Noch nicht.
    Ich warf einen Blick auf die Finger an meiner linken Hand. Alle noch dran. Immer noch taub.
    Schließlich drückte ich mich nach oben, Meghan gegenüber, in die Sitzposition.
    »Tut mir leid wegen gestern Nacht«, sagte ich. »Ich hatte nicht vor, dir so einen Schrecken einzujagen.«
    »Was ist denn passiert?« »Eigentlich hatte ich gehofft, du könntest es mir sagen.«
    »Du kannst dich nicht erinnern?«
    Ich erinnerte mich an eine Menge, doch ich war mir nicht

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