Alte Feinde Thriller
Zeitpunkt weiter nach hinten schieben und in die späten Siebziger oder frühen Achtziger reisen. Mich dort ein bisschen umsehen und das eine oder andere herausfinden.«
»Du hast mir erzählt, du hättest es schon mal versucht und wärst über 1975 nicht hinausgekommen.« Meghan kniff die Augen zusammen, hielt inne und wandte sich ab. »Okay, nur fürs Protokoll, ich kann nicht glauben, dass ich das gerade gesagt habe …«
»Na ja, vielleicht hab ich mich nur nicht genug angestrengt. Vielleicht soll es einem ja gar nicht leichtfallen.«
»Hmmm.«
Und dann aßen wir schweigend unsere Pizza weiter. Eine ganz schlichte Variante. Wenig Soße, billiger, pappiger Käse. In den Siebzigern hatte sie sich in Frankford nicht gerade großer Beliebtheit erfreut, doch plötzlich war sie das A und O auf Philadelphias Speiseplan: Leandro’s Pizza. Der winzige Laden befand sich unter der Treppe zur Hochbahnhaltestelle. Trat man aus dem Waggon, folgte man einfach dem betörenden Duft über die Betontreppen bis ganz nach unten, und eh man sich’s versah, hatte man die Hände in den Hosentaschen und kramte nach zwei Vierteldollars, einem Zehn-Cent-Stück und einer Fünf-Cent-Münze, um ein Stück Pizza zu kaufen. Auf meinen Ausflügen in die Vergangenheit machte ich absichtlich einen großen Bogen um Leandro’s. Das wäre gewesen, als würde ein Eunuch die Playboy Mansion besuchen.
Gegen Mitternacht hatten wir immer noch nichts wirklich Brauchbares zutage gefördert - viele der Aufzeichnungen und Ausschnitte bezogen sich auf Leute, die in den zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts gelebt hatten, aber keiner davon kam aus meiner Familie.
Also überzeugte ich Meghan schließlich, dass es richtig wäre, die Pillen zu nehmen. Müde stimmte sie zu.
Erst dann fiel mir ein, dass ich sie in den Arzneischrank geschlossen hatte.
»Lass mich raten. Du hast nicht die leiseste Ahnung, wo die Schlüssel sind.«
»Nope.«
»Gibt’s hier einen Hammer?«
»Keine Ahnung. Du hast den ganzen Abend hier rumgeschnüffelt. Und hast du einen Hammer gesehen?«
»Was ist in der Schublade für das Silberbesteck?«
»Ich besitze Silberbesteck?«
Meghan sah in der Schublade nach, in der sich einige merkwürdige Küchengeräte befanden - jedoch kein Hammer. Lediglich mehrere Korkenzieher. Jede Menge rostiger Flaschenöffner, einige mit den Logos lokaler Brauereien, die vor langer Zeit dichtgemacht hatten, wie Schmidt’s und Ortlieb’s. Außerdem ein großes Steakmesser mit Kunststoffgriff, das jedoch nicht so wirkte, als könnte man damit eine Blechdose zersägen, ganz zu schweigen von einem Vorhängeschloss.
»Ich glaube, ich habe im Wandschrank ein Kehrblech
und einen Strohbesen gesehen. Kannst du nochmal nachschauen?«
»Willst du das Schloss etwa wegfegen?«
»Nein. Ich werde einen großen, schweren Gegenstand nehmen - ich denke da zum Beispiel an deinen Kopf - und damit deinen Arzneischrank zertrümmern. Und nochmal fürs Protokoll, ich kann nicht glauben, dass ich das gerade laut gesagt habe.«
»Warum lässt du nicht mich ihn zertrümmern?«
»Du hast nur drei gesunde Finger. Willst du noch mehr verlieren?«
Sie zog einen schmutzigen grauen Ofenhandschuh über ihre rechte Hand, den man früher dazu benutzt hatte, brennendes Öl auszuklopfen, und griff nach einem schweren Glasaschenbecher. Damit stapfte sie ins Badezimmer, und eine Sekunde später hörte ich einen lauten Knall und Klirren. Dann war es wieder still.
»Bist du in Ordnung?«
»Er ist offen.«
Ich warf einen Blick ins Badezimmer. Die Tür war kaputt, und über Spüle, Boden, Klobrille und Wanne lagen die glitzernden Scherben des Spiegels verstreut.
»Ich dachte, du zählst bis drei oder so.«
»Hättest du dich dann besser gefühlt?«
Nachdem wir die Scherben zusammengefegt hatten, ließ ich mich auf die Couch plumpsen. Und Meghan kniete sich neben mich auf den Boden.
»Was machst du da?«
»Ich dachte, ich könnte weiter mit dir reden, während
du … na ja, in der Vergangenheit bist. Ich hab gehört, wie du im Schlaf vor dich hingemurmelt hast. Vielleicht stehst du weiter mit der Gegenwart in Kontakt, wenn du deine kleinen Ausflüge unternimmst.«
»Erwartest du etwa, dass ich dich von dort aus hören kann?«
»Ich werde schreien. Komm schon, das ist deine Idee. Ich versuche nur zu helfen.«
Ich warf zwei Pillen ein, während ich in Meghans hübsche Augen schaute. Sie streckte den Arm aus, um meine Hand zu halten. Langsam wurden
Weitere Kostenlose Bücher