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Alte König in seinem Exil - Alte König in seinem Exil

Titel: Alte König in seinem Exil - Alte König in seinem Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
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geantwortet hatte auf meine Frage nach dem größten Talent meines Vaters:
    »Mäusefangen!«
    Im Frühling 1939 habe die Gemeinde für jede gefangene Feldmaus einige Pfennige gezahlt. August und Paul hätten sich jeder mit Mäusefangen ein eigenes Fahrrad verdient, ein NSU und ein Viktoria . Paul sei nur der Gehilfe gewesen, August der Kopf. Neben den eigenen Wiesen hätten sie die Wiesen eines Nachbarn bejagt.
    Sammeln war positiv besetzt. Auch für das Kilo Maikäfer gab die Gemeinde einige Groschen. Josef und Robert seien mit Schüttelstangen und einer Plane an die Kante des Oberfelds längs der Bregenzer Ache gegangen, wo es zahlreiche Laubbäume gab, und hätten an einem Tag vierzig Kilo Maikäfer zusammengetragen – für Kinder die einzige Möglichkeit, zu eigenem Geld zu kommen.
     
    Mit kräftigen Besenschwüngen fegte ich auch den Staub zur Tür hinaus. Abends um halb zehn war die Arbeit erledigt. Wir deckten den Container nicht ab, denn der Himmelstand voller Sterne. Ich ging hinunter in die Terrassenwohnung, die ich dank der unübersichtlichen Machtverhältnisse im Haus schon als Dreizehnjähriger bezogen hatte. Das Haus war jetzt still. Meine Mutter hatte sich in die oberen Regionen zurückgezogen, Katharina war am Samstag mit dem Nachtzug zurück nach Wien gefahren. Ich setzte mich an den Laptop und machte mir Notizen über das Vorgefallene. Da erinnerte ich mich, dass Werner beim Aufräumen der Werkstatt eine Bemerkung gemacht hatte, die mich kurz hatte aufhorchen lassen. Er habe im kleinen Regal an der Wand zum Vorratskeller verschiedene Papiere gefunden, teils sehr private Dinge, die er sich gar nicht näher anschauen wolle.
    Ich ging hinüber in die Werkstatt. In einem Stapel sehr unterschiedlicher Dokumente fand ich eine Mappe, in die dreizehn Blätter eingelegt waren. Auf diesen Blättern hatte der Vater im Alter von vierundzwanzig Jahren seine Erinnerungen an das Kriegsende festgehalten. Die Mappe lag dort ungelesen seit Jahrzehnten, ich hatte nicht einmal gewusst, dass es diese Aufzeichnungen gibt.
    Durch den schummrigen Gang taumelte ich zurück in die Küche, setzte mich vor die Blätter und las. Der Krieg, der dem damals Achtzehnjährigen nichts bedeutet hatte und der für ihn ein gestohlenes Lebensjahr gewesen war, wurde rasch abgehandelt, erst mit dem Absetzen von der Front verlangsamte sich das Erzähltempo. Detailliert wurde die Zeit im Lazarett und die mühselige Heimkehr beschrieben, als der Vater immer auf der Suche nach Menschen war, die Vorarlberger Dialekt redeten und die er um ein StückBrot bitten konnte, ohne dass es allzu sehr wie Bettelei aussah.
    Die Einzelheiten schockierten mich, einerseits wegen ihrer Drastik, andererseits weil ich mit einmal das Gefühl hatte, trotz allen Bemühens sehr wenig über den Vater zu wissen, über seine Herkunft, seine Niederlagen, seine Ängste und Wünsche.
    Schon gewusst hatte ich, dass er beim Verladen von Kriegsbeute einen verdorbenen Knochen abgenagt hatte und an der Ruhr erkrankt war. Auch dass er innerhalb kurzer Zeit auf vierzig Kilo abgemagert war, hatte er mit Hinweis auf das in seiner Geldtasche hinter durchsichtigem Plastik aufbewahrte Foto gelegentlich erwähnt. Neu war, dass er vor Aufnahme des Fotos vier Wochen bettlägrig zwischen Sterbenden und Toten verbracht hatte. In dem zum Lazarett ernannten Schuppen bei Bratislava hatte man fünfzig Zentimeter tiefe Holzstellagen für die Kranken gebaut. Auf mehreren Lagen wurden je zwei Kranke auf eines der schmalen Bretter gepfercht, sie lagen auf der Seite, eng aneinandergeschmiegt, in Anbetracht der ansteckenden Krankheiten und schlecht versorgten Wunden eine fatale Situation.
     
    Im Gegensatz zu den Tagen waren die Nächte eher kühl, und da uns die russischen Schwestern, die bei mir in äußerst unangenehmer Erinnerung liegen, nur für je 2 Mann eine Decke erlaubten, fror es mich manchmal. So sah ich mich gezwungen, einen meiner Leidenskollegen, der nicht mehr bettlägrig war, zu bitten, mir einen Pullover zu verschaffen. Und wirklich, schon am nächsten Morgen überreichte er mir das Gewünschte und sagte, er habe ihn einem in der Nacht Gestorbenen ausgezogen, noch bevor die Russen es gemerkt hätten.
    Längere Zeit hatte ich meine Liegestätte gegenüber dem sogenannten Todeslager. Es war nämlich so, die von den Aerzten wegen schon zu fortgeschrittener Krankheit Abgeschriebenen waren auf ein gewisses Lager gelegt worden. Diese armen Menschen konnten nicht mehr auf den Abort

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