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Alte Liebe: Roman

Alte Liebe: Roman

Titel: Alte Liebe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich , Bernd Schroeder
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allein damit getan, dass Lore sich pensionieren lässt. Sie hätte es längst getan, wenn sie nicht befürchten müsste, dann ein Rentnerdasein neben einem Mann zu fristen, der sich zu keinerlei Aktivität aufraffen kann und sich in seinem Garten verkriecht. Ja, es liegt an mir. Ich muss mich ändern. Ich muss zu den Dingen zurückfinden, die unseren ersten Frühling ausmachten. Es ist nicht damit getan, zu versprechen, dass man einmal nach Italien und ans Meer fährt.
    Ich bin so bequem und faul geworden. Mein Gott, ich bin sechsundsechzig Jahre alt und lebe wie ein alter Mann. Neulich war ich mit Ede bei dem Kabarettisten Dieter Hildebrandt. Der ist zweiundachtzig, steht auf der Bühne vor vierhundert Leuten, sprüht vor Geist und Witz, ist politisch total informiert und klar im Kopf. Und ich lese nicht einmal die Bücher, die mir Lore empfiehlt. Ich stopfe mich voll mit dem unwichtigsten Kleinkram aus der Zeitung, bringe alles durcheinander, merke mir Namen und Geburtstage nicht – nur die Namen meiner Pflanzen. Ich nehme an Lores Berufsleben nicht teil, weigere mich, zu den Lesungen zu gehen, die ihr doch so wichtig sind, will keine Leute besuchen und keinen Besuch bekommen, igle mich hier ein, von zu viel Bier gar nicht zu reden. Das ist doch grotesk. Nein, das darf so nicht weitergehen. Es muss sich ändern. ICH muss es ändern. Ich muss Lore, wenn sie auch Rentnerin ist, der Partner sein, der ich ihr damals war, als wir noch reisten, in Ausstellungen oder ins Theater oder ins Kino gingen, wo wir Freunde besuchten, Gäste hatten. Wie lange waren wir schon nicht mehr in Holland bei Pieter und Lenneke oder bei meinem alten Studienkollegen Alois in München? Apropos München. In den ›Münchnerinnen‹ von Ludwig Thoma kommt das vor: Bleff zugunsten des Bleffenden.
    Und wollten wir nicht immer mal übers Wochenende in eine der europäischen Metropolen reisen? Das Fliegen ist doch heute so billig. Es gibt die wunderbarsten Angebote. Und wir nehmen sie nicht wahr. Nein, so geht es nicht weiter. Ich werde den Garten vereinfachen und Heidis Angebot annehmen, sich darum zu kümmern, wenn wir wegfahren wollen. Ich werde mehr lesen, um wieder die interessanten Gespräche mit Lore zu haben. Meine Lore, die so wunderbar aus ihrer Welt der Literatur erzählen kann. Meine Lore, die sich nicht gewünscht hat, mit einem Gartenspinner alt zu werden. Wann hab ich ihr eigentlich zuletzt gesagt, dass ich sie liebe? Ich weiß es nicht. Ich fürchte, es ist lange her. Und ich liebe sie doch noch.

    *

    »Lore, ich liebe dich!«
    »Harry, was ist in dich gefahren – ist dir nicht gut?«
    »Ich möchte mich bei dir entschuldigen.«
    »Wofür? Hast du mich betrogen?«
    »Nein.«
    »Was hast du ausgefressen, Harry?«
    »Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich neben dir ein sturer alter Zausel geworden bin.«
    »Ich nehme die Entschuldigung an.«
    »Gut so.«
    »Und – äh – ist denn Besserung in Sicht?«
    »Ja. Ich habe nachgedacht und mich umgesehen, und ich habe zu viele Paare gesehen, die gelangweilt nebeneinanderher leben. Sie sitzen in Lokalen und reden nicht miteinander. Sie haben sich nichts mehr zu sagen, weil sie nichts Gemeinsames erleben und weil alles andere schon gesagt ist. Ich will nicht, dass wir so werden.«
    »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll – ich bin so überrascht, Harry.«
    »Wir waren seit drei Jahren nicht mehr im Kino – weißt du, was unser letzter Film war, den wir gesehen haben?«
    »Ja, ich weiß es, es war ›Das Leben der anderen‹. Da hatten wir doch danach so eine heftige Diskussion mit meiner Kollegin Franziska aus Erfurt.«
    »Eben. Ich erinnere mich – ich will wieder mit dir ins Kino gehen und ins Theater und solche Diskussionen haben. Ich will mit dir reisen und was erleben, damit wir wieder sagen können ›siehst du auch, was ich sehe‹ und nicht nur ›weißt du noch, damals‹.«
    »Was sagt dein Garten dazu, Harry?«
    »Ich lass mich doch von einem Garten nicht davon abhalten, mit meiner Gattin einen erfüllten Lebensabend zu haben.«
    »Ein großes Wort sprichst du gelassen aus!«
    »Ich möchte mich für noch etwas entschuldigen.«
    »Was für ein Tag! Haben wir Hochzeitstag, und ich weiß es nicht?«
    »Ich meine, wenn ich schon mal dabei bin sozusagen Tabula rasa zu machen – also – es tut mir leid, dass ich mit Gloria und der Hochzeit so einen Eiertanz gemacht habe.«
    »Ich hab das ja verstanden – ist auch wirklich nicht leicht.«
    »Ich will mich jetzt

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