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Alte Liebe: Roman

Alte Liebe: Roman

Titel: Alte Liebe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich , Bernd Schroeder
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wahnsinnig.«
    »Das ist doch mal was. Wahnsinnig. Starke Emotionen. Soll ich dir was erzählen?«
    »Kommt drauf an, was das wieder ist.«
    »Soll ich oder soll ich nicht?«
    »In Gottes Namen.«
    »Bei deiner Lesung neulich …«
    »Geht das wieder los?«
    »Nein, ganz was anderes. Bei der Lesung saß eine schöne Frau vor mir. Sie hatte …«
    »Ach, deshalb.«
    »Was, ach deshalb?«
    »Deshalb warst du so – so aufgekratzt, so wichtig. Deshalb hast du dich produziert, du wolltest ihr imponieren.«
    »Darf ich vielleicht mal fertig erzählen?«
    »Schöne Frau. Ich hätte es wissen müssen.«
    »Sie hatte dichtes schwarzes Haar, wunderbar hochgesteckt mit so einem altmodischen Kamm, ich sah die Schultern in einem schönen weinroten Pullover, sie saß direkt vor mir, und ich hab mir immer ausgemalt, wie sie wohl aussieht. Ich hab mir ihre Augen vorgestellt, ihr Lächeln, ich hab mich auf das Ende der Lesung gefreut …«
    »Du hast dich ja sowieso die ganze Zeit auf das Ende der Lesung gefreut.«
    »… weil ich sie dann ansehen und vielleicht ansprechen konnte.«
    »Ich kenn die gar nicht, kenn ich die? Schwarze Haare? Hochgesteckt?«
    »Und dann war die Lesung vorbei und wir standen noch zusammen und ich sah sie.«
    »Und?«
    »Grobes Gesicht, schiefe Zähne, unfreundlicher, mürrischer Ausdruck, schlechte Haut, ein Desaster. Die ganze Frau eine frustrierte, vernachlässigte Katastrophe. Aber von hinten …«
    »Warum erzählst du mir das jetzt?«
    »Nur so. Einfach so. Eine Geschichte von Schein und Sein, Träumen und Sehen …«
    »Der Zug hat Verspätung. Da oben steht es!«
    »Diskutier das mit Mehdorn, nicht mit mir.«
    »Der ist doch weg.«
    »Richtig. Aber anscheinend ist alles wie immer. Ist doch schön, dass manche Dinge immer gleichbleiben.«
    »Hast du dann nicht mit ihr gesprochen?«
    »Warum sollte ich?«
    »Wenn sie schön gewesen wäre, hättest du aber?«
    »So grausam ist die Welt, Lore, ja, hätte ich.«
    »Wie bin ich von hinten? Was würdest du denken, wenn du hinter mir so säßest?«
    »Ich würde denken: ach, da sitzt ja meine Lore.«

28 HARRY

    Wenn man so selten irgendwohin fährt wie wir, ist eine Bahnfahrt ein wahres Erlebnis. Man braucht die Gelassenheit eines Elefanten, der so lange geduldig das Bein hebt, bis die Maus sich endlich entschlossen hat weiterzulaufen. Die erste Klasse schützt einen vor nichts, allenfalls vor ein paar betrunkenen Fußballfans.
    Es geht ja schon los beim Kauf der Fahrkarten. Clever, wie ich gerne zu sein vorgebe, habe ich die Karten, nachdem Lore das nicht hingekriegt hat, im Internet gebucht. So ein Zirkus. Ich habe zwei Stunden dafür gebraucht. Die Verbindung war schnell gefunden. Freitagmorgen hin, Sonntagnachmittag zurück. Sondertarif gab es ausgerechnet für die ausgesuchten Verbindungen nicht. Ich versuchte andere – dasselbe. Vermutlich gibt es die Sondertarife gar nicht. Egal. Eine Bahncard haben wir nicht, also voller Preis. Dreimal flog ich raus, bis ich endlich alles hatte. Zwei Personen, erste Klasse, Wagen 12, Platz 35 und 37, Ruhezone. Ich wusste gar nicht, dass es das gibt, Ruhezone. Zwischendrin rief Ede mal an. Ruhezone, sagte er, da darfst du nicht telefonieren. Will ich ja nicht. Na gut, sagte er, dann nimm das. Während des Gesprächs flog ich wieder raus. Ich fluchte. Lass das doch ein Reisebüro machen, sagte Ede. Nein, nun war mein Ehrgeiz angestachelt, dem Internet nicht zu unterliegen. Endlich ging es zur Zahlung. Ich tippte die Nummer meiner Kreditkarte ein, es stellte sich heraus, dass die seit drei Monaten abgelaufen ist. Das ist das einzige, was ich Mehdorn und seinem Nachfolger nicht zum Vorwurf mache. Aber warum hat mich die Bank nicht unterrichtet und eine neue Kreditkarte geschickt? Klar, weil es die Bank gar nicht mehr gibt, und die, denen die Bank jetzt gehört, haben vermutlich andere Probleme.
    Nun also im Zug. Gute Plätze, der Zug nicht überfüllt, wir beide am Fenster, zwischen uns ein Tisch. Man hätte die Spielkarten mitnehmen sollen. Haben wir vergessen.
    Ruhezone wird durch das Logo eines rot durchgestrichenen Handys angezeigt. Der Zug fährt ab. Wir sind guter Dinge. Uns schräg gegenüber sitzt ein etwas windiger Vertretertyp, der sofort sein Laptop aktiviert und hektisch darauf herumdrischt. Dann klingelt sein Handy. Als Klingelton kreischt und lacht ein Baby. Der Mann hebt ab. Es ist, wir kombinieren schnell, seine Frau. Er sagt ihr, dass der Termin in Leipzig wahnsinnig wichtig sei und er mit

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