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Alte Liebe: Roman

Alte Liebe: Roman

Titel: Alte Liebe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich , Bernd Schroeder
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einfach freuen, mit dir da hinzugehen. Wir schauen uns die Leute an, üben uns in Geduld – und wenn es Scheiße ist, dann seilen wir uns ab – und nach uns die Sintflut.«
    »Harry, welche Fee hat dich verzaubert?«
    »Mir ist jetzt plötzlich bewusst geworden, wie schnell es gehen kann, dass einer von uns alleine ist. Wir haben einfach nicht mehr so viel Zeit. Ich glaube, man macht sich ewig Vorwürfe, wenn man diese Zeit miteinander nicht sinnvoll genutzt hat.«
    »Ja, ich sehe um mich herum fast nur Paare unseres Alters, die nicht gut oder zumindest gleichgültig miteinander sind.«
    »Erinnere dich an das Paar im Biergarten, das uns so gut gefallen hat. Zwei Leute die sich sichtbar liebten, die die ganze Zeit miteinander geredet haben, die wir darum fast beneidet haben. Jetzt hatte er einen Schlaganfall, und sie sitzen sich stumm gegenüber, und sie füttert ihn.«
    »Schrecklich – wann hast du sie gesehen?«
    »Neulich, als ich mit Ede ein Bier trinken war.«
    »Ich hab die beiden oft beneidet.«
    »Lass uns so sein, dass wir andere nicht beneiden müssen.«
    »Ja.«
    »Lore, ich glaube, ich liebe dich immer noch.«
    »Glaubst du’s oder weißt du’s?«
    »Beides.«
    »Jetzt würde ich glatt mit dir ins Bett gehen wollen – wenn ich nicht zu der Lesung müsste.«
    »Weißt du was, ich komme mit.«
    »Aber das interessiert dich doch nicht.«
    »Dann fange ich eben damit an.«

27 LORE

    So. Die Zugfahrt für Leipzig ist gebucht. 2. September hin, nachmittags Standesamt, am nächsten Tag Kirche, dass das auch noch sein musste, Kirche. In Weiß, die dritte Hochzeit, und in Weiß. Und dann abends das große Fest. Am nächsten Tag Frühstück alle zusammen, noch ein Tag dort, am 4. September morgens zurück. Großraumwagen, Fensterplätze mit Tischchen dazwischen, Nichtraucher. Gibt’s überhaupt noch Raucher? Ist das jetzt total verboten? Auch Quatsch. Ich fand das zwar nie gut, wenn irgend so ein nervöser Depp neben einem zwanzig Stuyvesant nacheinander rauchte, aber dass alles gleich verboten wird, ist auch idiotisch. Überall wird man reglementiert. Mein Gott, ich klär das doch mit meinem Tischnachbarn, wenn ich nach dem Essen eine rauchen will, nicht mit der Bundesregierung. Und meine Krankenkasse kann mich als Raucher gern höher einstufen, bitte schön, aber mir doch nicht alles vorschreiben – im Auto anschnallen, beim Motorradfahren Helme auf, nicht rauchen, wenn’s nach Renate Künast geht, nicht mal in der eigenen Wohnung, also wirklich. Ich halte ja nach wie vor nichts von Ede, aber neulich saß er mit Harry im Garten, beide mit Zigarre, sah sehr gemütlich aus, und ich hörte, wie er sagte: Harry, ich sage dir: kein Navi, keine Filterzigaretten, keine Kondome.
    Da musste ich direkt lachen.
    Kondome brauchen wir ja nun nicht mehr, und ich bin froh, dass wir das auch früher nicht gebraucht haben. Heute muss man wohl … unbedingt schöner wird das Leben nicht für die jungen Leute.
    Also, alles gebucht. Ich bin froh, dass Harry kein Theater mehr macht und sogar sagt, dass er sich freut. Glaube ich ihm zwar nicht, aber irgendwie hat er gerade seine sanfte Tour drauf, mal sehen, wie lange das hält. Es ist bei mir immer beides: ich hab ihn gern, natürlich, ich hab mehr als mein halbes Leben mit ihm verbracht, und trotzdem geht er mir so auf die Nerven. Liegt das an mir oder an ihm? Einerseits will ich ja, dass er zu meinen Lesungen – meinen? –, zu unseren Lesungen mal mitgeht, wenigstens ab und zu, aber wenn er es dann tut, regt er mich so auf, dass ich schreien könnte.
    Letztes Mal, wieder so ein Fall. Die Dichterin liest ihre Geschichten, zugegeben, hochartifiziell und nicht wirklich prickelnd, und er fragt sie, ob man das so eintönig lesen müsse, ob das Teil des literarischen Konzepts sei. Sie wird rot und stottert und sagt, er müsse das ja nicht anhören, er könne das Buch ja zu Hause selbst lesen, und er fragt: »Steht denn mehr drin oder nur das, was wir hier gehört haben?« Und dann sagt er: »Sie haben zweifellos aus der Partitur des Textes optimalen Mehrwert geschlagen.«
    Da war ich ja völlig fertig. Mein Harry, plötzlich so ein Satz, so böse, so ironisch und so perfekt, alle waren baff, und ich war eine Mischung aus stolz und wütend, denn natürlich war der Abend damit gelaufen und die Dichterin beleidigt. Oder zumindest verstört, so eine Sensible ist ja nicht beleidigt, die ist verstört, und auf dem Heimweg hat Harry gesagt: Ich hasse ja nichts mehr als Leute, die

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