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Alte Liebe: Roman

Alte Liebe: Roman

Titel: Alte Liebe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich , Bernd Schroeder
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Wintergewölbe werden an manchen Orten, zum Beispiel in Polen, Leichen aufbewahrt, wenn der Boden zu hart gefroren ist, um sie zu begraben.«
    »Alles hat mit Tod zu tun.«
    »Ja, ich habe gerade ein Buch von Maarten ’t Hart gelesen, über seinen Vater, der war Totengräber. Eines Jahres zwischen Weihnachten und Neujahr kommt ein Freund aus dem Ort zu ihm und sagt, ich will nicht mehr leben, ich bin alt, krank, einsam, ich häng mich jetzt auf. Der Vater sagt: Ich kann dich gut verstehen, aber tu mir das nicht an, der Boden ist jetzt zu hart, ich kann dich nicht begraben. Warte bis Mai. Die hatten kein Wintergewölbe da in Holland.«
    »Und wie ging’s aus, hat er sich erhängt?«
    »Ja, im Mai, als der Boden wieder weich war.«
    »Das war ein guter Freund.«
    »Alles handelt im Moment vom Tod. Ich fühl mich auch wie in einem Wintergewölbe.«
    »Bist du aber nicht. Es ist August, die Sonne scheint, du machst morgen eine schöne Lesung und dann fahren wir erster Klasse nach Leipzig und machen uns zwei gute Tage.«
    »Ich freu mich drauf, mit dir mal wieder zu reisen.«
    »Ich mich auch. Wir könnten Karten spielen im Zug, weißt du noch?«
    »Du hast immer geschummelt. Du hast auf den Trümpfen gesessen.«
    »Nur ein einziges Mal. Und das trägst du mir ewig nach.«
    »Du schummelst immer, auf irgendeine Weise. Aber diesmal krieg ich dich.«
    »Wir werden ja sehen.«
    »Weißt du noch, wenn Gloria beim Spiel verlor, hat sie die Tür geknallt und stundenlang geheult.«
    »Einzelkind. Machtlos gegen die Eltern. Klassisch.«
    »Nix, Theo hat auch geheult und getobt, wenn er als Kind beim Spiel verloren hat. So ist einer drauf oder nicht.«
    »Und du bist nachtragend, bis heute kommst du mir damit, dass ich auf den Trumpfkarten gesessen habe.«
    »Das war aber auch schändlich, ich hatte immer gute Karten und hab nie gewonnen, weil du wusstest, dass ich bluffe.«
    »So ist das im Leben. Mancher blufft zuungunsten des Bluffenden.«
    »Was war denn das noch mal? Bleffen, es hieß bleffen, irgend so ein bayerischer Quatsch, der Bleffende blefft zuungunsten des Geblefften … was haben wir gelacht, wer war das?«
    »Weiß nicht. Fällt mir wieder ein. Weißt du, was das Schönste am langen Zusammenleben ist?«
    »Sag’s mir.«
    »Der Satz ›Weißt du noch …‹ Den hab ich nur mit dir.«
    »Deshalb verlieb ich mich ja auch in keinen Jesus.«
    »Was soll das denn jetzt heißen? Versteh ich nicht.«
    »Vergiss es. Nur so.«
    »Komm mir auf die alten Tage bloß nicht noch mit Jesus, wie meine Mutter am Ende mit ihren Traktätchen.«
    »Nein, mein Lieber, ich meine einen ganz anderen Jesus, aber das wirst du jetzt so schnell nicht verstehen.«
    »Du bleffst.«
    »Ja, zugunsten der Bleffenden.«

26 HARRY

    Mein Gott, was ist das für ein Jahr! Leni stirbt, dann Theo, Rita dreht durch, Glorias seltsame Entwicklung und Fürstenhochzeit in Leipzig. Das strapaziert selbst mein dickes Fell. Für Lore ist das alles ganz schlimm. Dieser einseitige Abschied in Raten von der Mutter, der sehr plötzliche, auch rätselhafte Tod des Bruders und Ritas Totalzusammenbruch, das war etwas viel. Wie es Lores Art ist, macht sie sich wieder einmal Vorwürfe, Theo nicht die Schwester gewesen zu sein, die er gebraucht hätte. Wieder einmal zweifelt Lore angesichts aller Ereignisse an sich selbst, an der Welt und natürlich auch an mir. Ja, sicher auch das. Ich spüre das. Manchmal, wenn sie mich beobachtet – beim Zeitunglesen zum Beispiel –, sehe ich ihr an, was sie denkt. Ist das der Richtige, könnte da nicht ein anderer, jüngerer, eloquenterer, geistreicherer Mann sitzen, denkt sie. Kurz darauf, wenn sie sich durchschaut fühlt, ist sie besonders nett zu mir. Dann sagt sie Dinge, die sie lange nicht mehr gesagt hat, redet von Glück, das man festhalten müsse, vergleicht uns mit anderen Ehepaaren und findet, wir hätten unsere Sache doch alles in allem gut gemacht. Dann spielt sie eine Zufriedenheit vor, die sie in Wirklichkeit nicht hat.
    Ich habe im Moment das Gefühl, dass wir an einem Scheideweg sind. Entweder wir werden wie so viele andere ein abgestumpftes Paar, das aus Gewohnheit noch zusammenlebt, oder wir haben noch ein paar schöne, intensive Jahre miteinander, so was wie einen zweiten Frühling. Wir haben eine Chance. Wir sind gesund, wir haben keine finanziellen Sorgen, müssen nicht mehr arbeiten, haben, wenn wir uns wieder darauf besinnen, durchaus gemeinsame Interessen. Ich weiß, dass vieles an mir liegt. Es ist nicht

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