Alte Meister: Komödie (German Edition)
in der Universität bei, wie lächerlich. Wohin immer wir heute in diesem Lande schauen, wir schauen in eine Senkgrube der Lächerlichkeit, sagte Reger. An jedem Morgen steigt uns die Schamröte ins Gesicht vor soviel Lächerlichkeit, mein lieber Atzbacher, das ist die Wahrheit. Gehen Sie auf eine Preisverleihung, Atzbacher, wie lächerlich; lächerliche Figuren; je pompöser aufgetreten wird, desto lächerlicher, sagte er, alles nichts als Karikatur, sagte er, einfach alles. Da nennen Sie einen guten Mann Ihren Freund und dann läßt er sich plötzlich zum Ehrenprofessor machen und nennt sich von da an Professor und läßt auf sein Briefpapier den Professor drucken und seine Frau tritt beim Fleischhauer aufeinmal als Frau Professor auf, damit sie nicht so lange warten muß, wie die andern, die keinen Professor zum Mann haben. Wie lächerlich, sagte er. Goldene Treppen, goldene Sessel, goldene Sitzbänke in der Hofburg, sagte er, und lauter pseudodemokratische Idioten darauf, wie lächerlich. Sie gehen die Kärntnerstraße entlang und alles kommt Ihnen lächerlich vor, alle Leute sind nur lächerlich, nichts anderes, Sie gehen durch ganz Wien, kreuz und quer, und ganz Wien ist Ihnen aufeinmal lächerlich, alle Leute, die auf Sie zukommen, sind lächerliche Leute, alles, das auf Sie zukommt, ist lächerlich, Sie leben in einer durch und durch lächerlichen und in Wirklichkeit verkommenen Welt, sagte er. Sie haben die ganze Welt aufeinmal zur Karikatur zu machen. Sie haben die Kraft, die Welt zur Karikatur zu machen, sagte er, die Höchstkraft des Geistes, sagte er, die dazu notwendig ist, diese einzige Überlebenskraft, sagte er. Nur was wir am Ende lächerlich finden, beherrschen wir auch, nur wenn wir die Welt und das Leben auf ihr lächerlich finden, kommenwir weiter, es gibt keine andere, keine bessere Methode, sagte er. Im Zustand der Bewunderung halten wir es nicht lange aus und wir gehen zugrunde, wenn wir ihn nicht zeitgerecht abbrechen, sagte er. Ich war ja zeitlebens immer weit davon entfernt, ein Bewunderer zu sein, Bewunderung ist mir fremd, da es das Wunder nicht gibt, ist mir Bewunderung immer fremd gewesen und nichts stößt mich so ab, wie wenn ich Leute beobachte, die bewundern, die an irgendeiner Bewunderung erkrankt sind. Sie gehen in eine Kirche und die Leute bewundern, sie gehen in ein Museum und die Leute bewundern. Sie gehen in ein Konzert und die Leute bewundern, das ist abstoßend. Der eigentliche Verstand kennt die Bewunderung nicht, er nimmt zur Kenntnis, er respektiert, er achtet, das ist alles, sagte er. Die Leute gehen wie mit einem Rucksack voll Bewunderung in alle Kirchen und in alle Museen hinein und haben aus diesem Grunde immer diesen widerwärtigen gebückten Gang, den sie ja alle in den Kirchen und in den Museen haben, sagte er. Ich habe noch keinen Menschen völlig normal in eine Kirche oder in ein Museum hineingehen gesehen und am widerwärtigsten ist es, die Leute in Knossos oder in Agrigent zu beobachten, wenn sie am Ziel ihrer Bewunderungsreise angelangt sind, denn nichts anderes reisen diese Leute, als eine Bewunderungsreise, sagte er. Bewunderung macht blind, sagte Reger gestern, sie macht den Bewunderer stumpfsinnig. Die meisten Leute kommen, wenn sie einmal in die Bewunderung hineingekommen sind, nicht mehr aus der Bewunderung heraus, und sind dadurch stumpfsinnig. Die meisten Leute sind lebenslänglich allein dadurch stumpfsinnig, daß sie bewundern. Es gibt nichts zu bewundern, sagte Reger gestern, nichts, gar nichts. Weil den Leuten die Respektierung und die Achtung zu schwierig ist, bewundern sie, das ist ihnen billiger, sagte Reger. Bewunderung ist leichter als Respektierung, als Achtung, Bewunderung ist Eigenschaft des Dummkopfs, sagte Reger. Nur der Dummkopf bewundert, der Gescheite bewundert nicht,er respektiert, achtet, versteht, das ist es. Aber zu Respektierung und Achtung und Verständnis gehört doch Geist und Geist haben die Leute nicht, ungeistig und tatsächlich völlig geistlos reisen sie zu den Pyramiden und an die sizilianischen Säulen und vor die persischen Tempel und berieseln sich und ihre Stumpfsinnigkeit mit Bewunderung, sagte er. Der Zustand der Bewunderung ist ein Zustand der Geistesschwäche, sagte Reger gestern, in diesem Zustand der Geistesschwäche existieren fast alle. In diesem Zustand der Geistesschwäche kommen sie alle auch in das Kunsthistorische Museum herein, sagte er. Die Leute schleppen schwer an ihrer Bewunderung, sie haben nicht
Weitere Kostenlose Bücher
Zehn Mal Fantastische Weihnachten. Zehn Online Lesen
von
Sandra Regnier
,
Teresa Sporrer
,
Jennifer Wolf
,
Cathy McAllister
,
Natalie Luca
,
Jennifer Jäger
,
Melanie Neupauer
,
Katjana May
,
Mara Lang
,
Lars Schütz
,
Pia Trzcinska