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ALTEA (Sturmflut) (German Edition)

ALTEA (Sturmflut) (German Edition)

Titel: ALTEA (Sturmflut) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Suslik
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Flüssigkeit, und dann sah ich ihn. Es war tatsächlich Aljoscha. Er lag nicht in einem Bett sondern in einer Art gläsernem Tank, der mit einer klaren, hellgrünen Flüssigkeit gefüllt war, die zäh wie Öl wirkte. Ich konnte nicht mit ihm sprechen, doch sein nackter Körper war der Zeuge der Flammen, der mir alles erzählte. Die Haut an seinen Armen war praktisch nicht mehr vorhanden. Es war nacktes Fleisch, klar und rot. Seine Brust war nur noch ein Flickenteppich aus schweren Brandwunden, die sich seinen Hals hinaufzogen bis zu seinem Gesicht. Sein wildes, gebleichtes Haar war nicht mehr da. Es war alles weg. Heruntergebrannt, bis auf wenige Millimeter, die nur erahnen ließen, das einmal Haare da gewesen waren. Ebenfalls ein Opfer der Flammen. Der ganze Anblick war so unwirklich, so falsch. Ich erkannte ihn. Es war Aljoscha ohne jeden Zweifel, doch ich wollte es nicht glauben. Ich wollte diesen Anblick aus meinem Verstand reißen und an dessen Stelle die Erinnerung an Aljoscha schieben, die richtig erschien. Das alles kam mir plötzlich wie ein Fiebertraum vor. Mich überkam das Gefühl, jemand hätte eine Schlinge um meinen Brustkorb gelegt und sie mit einem Ruck zugezogen. Ich bekam einfach keine Luft mehr. Meine Beine fingen zu zittern an und ein Kloß formte sich in meiner Kehle. Ich presste die Handflächen gegen das Glas, in der verrückten Hoffnung, es einfach zu Boden drücken zu können und dieses Bild in tausend Stücke zerbrechen zu lassen. Meine Augen waren wie festgenagelt und ich war nicht im Stande wegzuschauen. Mit fassungslosem Blick starrte ich ihn einfach nur an und dann, drehte er seinen Kopf zu mir. Sein Gesicht war vom Kinn über seine linke Wange, bis zum Ohr verbrannt. Dünne Schläuche verschwanden in seiner Nase und einer in seinem Hals. Für eine Sekunde sah er einfach nur in meine Richtung. Ich versuchte Schmerz, Wut oder wenigstens Enttäuschung in seinem Blick zu sehen, fand aber nichts davon. Ganz im Gegenteil. Er fing an zu lächeln. Er lächelte so, wie er es immer tat. Auf diese warme, ehrliche Weise, die man bis in seine Augen sah. Dann hob er die Hand, nicht viel, nur ein Stück, und winkte mir zu. Die Flüssigkeit gab seinen Bewegungen nur widerwillig nach, doch es war ein klares Winken. Ich konnte das nicht fassen. Nach allem, was passiert war. Ich verstand es einfach nicht. Es war zu viel, um es zu verarbeiten und ich konnte förmlich spüren, wie mein Verstand unter der Belastung nachgab. Ich ließ mich mit der Stirn gegen das Glas sinken und ergab mich in diese vollkommene Gedankenleere, die die Antwort meiner Psyche auf diese emotionale Überforderung war. Es dauerte vielleicht zwei Minuten. Dann, ohne weitere Vorwarnung, fing ich an zu weinen. Ich wusste nicht woher die Tränen kamen, oder warum sie sich ausgerechnet jetzt an die Oberfläche kämpften, doch sie brachen einfach los, wie ein Sturm auf dem Atlantik. Ich hatte keine Kontrolle darüber. Meine Beine versagten mir endgültig den Dienst und ich sank wimmernd und schluchzend auf dem Boden zusammen. Mein ganzer Körper schüttelte sich unter dem unkontrollierten Weinkrampf und ich konnte nichts dagegen machen. Ich wollte es auch nicht. Ich konnte nicht einmal darüber nachdenken welche tiefe Schwäche ich gerade zeigte oder was die Menschen um mich herum darüber dachten. Es existierte in diesem Moment nichts für mich, außer den Emotionen, die ich nicht mehr unterdrücken konnte. Ich drückte immer noch die Handflächen gegen das Glas, in dem hoffnungslosen Versuch diesen Anblick von Aljoscha von mir weg zu schieben. Es fühlte sich so an, als konnte ich mich selbst bei meinem Zusammenbruch beobachten, doch nichts von alledem folgte für mich noch einer Logik. Zwischen den Schluchzern, verließ immer mal wieder ein tränenersticktes, „Aljoscha… es tut mir leid.“ meinen Mund. Es war wie ein leiser Sing-Sang, der meine geistige Abwesenheit demonstrierte. Warum musste das alles nur passieren? Warum nahm dieses Elend einfach kein Ende?
    Es verging eine kleine Ewigkeit, bis ich plötzlich zwei starke Hände an meinen Schultern spürte, die mich vom Boden hievten. Ich hatte nicht das kleinste Bisschen Körperspannung oder Willen mehr in mir, also ließ ich es einfach geschehen. Meine Beine setzten sich in Bewegung, doch es war nur ein Reflex. Wohin sie liefen war völlig egal. Es war mir sogar egal, wer mich gerade aus dem Raum schob. Ein letztes Mal blickte ich durch das Glas zu Aljoscha. Durch einen

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