ALTEA (Sturmflut) (German Edition)
vieles an diesem Ort war einfach merkwürdig, doch Emils Worte waren noch sehr präsent in meinem Kopf. Man wollte nicht mehr, dass ich alles hinterfragte. Und ich wollte Aljoscha sehen. Unbedingt.
Emil brachte uns bis vor eine Metalltür, auf die ein großes H in einem roten Kreis aufgemalt war.
„Warten Sie hier.“ Wies er uns nur kurz an und verschwand dann hinter der Tür.
Ich sah mich um und bemerkte überall Kameras. Sie waren klein, trotzdem viel es mir nicht schwer sie sofort auszumachen. Die ständige Überwachung war ich gewohnt und mir dieser bewusst zu sein noch viel mehr. Ich sah zu Radu, der nur neben mir stand und schwieg. Sein Gesichtsausdruck war ein nicht zu deutendes Puzzle aus Emotionen. Vielleicht hätte ich etwas sagen sollen, aber ich wusste nicht was. Unser Gespräch ausgerechnet in diesem Gang fortzusetzten war auch keine gute Idee. Leute in hellgrüner Arbeitskleidung und mit Mundschutz liefen an uns vorbei. Keiner von ihnen nahm Augenkontakt mit uns auf. Manchmal wurden sie von Soldaten begleitet.
Emil kam zurück, in der Begleitung des Arztes, der sich mir nicht vorgestellt hatte. Er blieb vor uns stehen und sah mich an.
„Sie können ihn sehen, aber nicht mit ihm sprechen.“ Seine Worte waren ruhig und distanziert, sein Blick völlig emotionslos. Er benahm sich noch genauso, wie bei unserem letzten Aufeinandertreffen, nur ohne die Spur von Nervosität.
„Warum kann ich nicht mit ihm sprechen?“ Brach es aus mir heraus. Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, überkam mich die Angst. „Ist er nicht bei Bewusstsein? Wie geht es ihm?“ Fragte ich mit zittriger Stimme. Zu meiner Angst mischte sich das Gefühl, überhaupt nicht vorbereitet zu sein auf das, was ich vielleicht gleich sehen würde. Mein Herz begann schneller zu schlagen. Ich musste doch so dringen mit ihm reden, aber nun war ich mir nicht mehr sicher, dass das wirklich eine gute Idee war. Was hatte ich mir nur dabei gedacht?
„Er ist bei Bewusstsein. Sein Zustand ist nicht kritisch, aber ernst.“ Erklärte er in einem sachlichen Ton.
Nicht kritisch, aber ernst? Ich verstand nicht einmal den Unterschied. Dieser Mann hakte einfach nur meine Fragen ab, wie ein Mitarbeiter in irgendeiner staatlichen Behörde. Ich fühlte mich auf einmal überhaupt nicht mehr wohl. Ein Gefühl von Übelkeit breitete sich in meinem Magen aus und mir wurde gleichzeitig heiß und kalt.
„Warum kann ich dann nicht mit ihm sprechen?“ Meine Stimme klang nervöser, als ich es zulassen wollte.
„Er ist in einem speziellen Behandlungsraum. Der Zutritt ist für Unbefugte nicht gestattet. Aber wir bringen sie in einen Beobachtungsraum. Von dort aus können sie ihn sehen.“ Der Ton seiner Stimme war unverändert und sein Blick blieb völlig leer. Ich hatte das Gefühl mit ihm zu reden ergab gar keinen Sinn. Das war nicht das was ich wollte, aber mir dämmerte bereits, dass ich nicht mehr bekommen würde. Sie würden mich nicht zu ihm lassen. Ich durfte ihn nur durch eine Glasscheibe anstarren. Es war besser als nichts. Wenigstens konnte ich sicher gehen, dass er noch am Leben war. Ich senkte den Blick und versuchte mich irgendwie innerlich auf die nächsten Minuten vorzubereiten.
„Kann er mich auch sehen?“ Ich wusste nicht, welche Antwort auf diese Frage mir lieber war.
„Ja, er kann Sie auch sehen.“ Bestätigte der Arzt.
„Weiß er, dass ich hier bin?“ Fragte ich weiter. Die Nervosität ergriff die Oberhand und mein Körper begann wieder zu zittern.
„Ja, er weiß es.“
Für einen Moment herrschte Stille. Scheinbar wartete er auf noch mehr Fragen von mir, doch ich hatte keine mehr. Ich atmete nur noch einmal tief durch und sah zur Tür. Der Arzt ging an uns vorbei und tippte ebenfalls einen Code in ein Pad neben der Tür. Kaum war sie offen, ging er hindurch und Emil folgte ihm. Ich zögerte nur eine Sekunde und folgte ihnen dann auch. Der Raum war etwas dunkler als das Zimmer, das hinter der Glaswand lag. Im Raum befand sich noch mehr, aber ich nahm nichts davon wirklich war. Ich lief, wie an einem unsichtbaren Fanden entlang, direkt zum Glas. Das erste was ich sah, waren zwei junge Männer in weißen Kitteln und mit Mundschutz. Einer von ihnen hielt ein Tablet in der Hand und drückte eifrig darauf herum, der andere füllte ein Injektionsgerät mit einer klaren
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