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Altenberger Requiem

Altenberger Requiem

Titel: Altenberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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du vielleicht gerne tust.«
    »Und das wäre?«
    Sie verkniff sich die Antwort und ging davon, wieder kopfschüttelnd.
    »He, ich will eine Antwort.«
    Sie drehte sich um. »Weißt du eigentlich, dass der Altenberger Dom gar kein Dom ist?«
    »Ist das jetzt der plötzlichste Themenwechsel unseres Lebens, oder was?«
    »Konzentrieren wir uns auf die Rallye. Nutzen wir den Vorsprung.«
    Mir wurde warm. Vom schnellen Gehen und überhaupt. Wonne schien ziemlich sportlich zu sein. Es war ein flottes Tempo, das sie vorlegte. Ihre zackigen Schritte brachten den Rock zum Wippen.
    Sie hatte ja recht. Man sollte es nicht übertreiben mit den Andeutungen. Oder Taten folgen lassen.
    Bei dem Gedanken wurde mir etwas schwummrig. Die kleinste Tat konnte die nette Stimmung sofort zum Kippen bringen. Und wir hatten noch die ganze Rallye vor uns … Wie weit durfte ich mich vorwagen? Wann hörte das Spiel auf? Wann begann die Belästigung? Wann gab man Anlass zu einem ernsten Gespräch, das anfing mit: Hör mal, ich flirte ja gerne mit dir, du bist ein netter Typ, aber weiter will ich nicht gehen. Nichts für ungut, aber lassen wir das doch jetzt bitte …
    Schweißperlen rollten kitzelnd unter meinem Hemd. »Also kein Dom, hm?« Ich hatte das so dahingesagt. Mein Unterbewusstsein hatte mitgemacht und ebenfalls das Thema gewechselt. »Wieso sagen dann alle Dom dazu?«
    »Es handelt sich um ein Kloster, besser gesagt um eine im 12. Jahrhundert errichtete Zisterzienserabtei. Der sogenannte Dom ist die Klosterkirche.«
    »Was ist überhaupt genau genommen ein Dom?« Reden, dachte ich. Das schadet bestimmt nicht.
    »Ein Dom deutet darauf hin, dass es ein Bistum gibt. Einen Bischof. Wie in Köln zum Beispiel.«
    »Und deswegen ist der Kölner Dom ein echter Dom, und das hier ist eine Attrappe?«
    »Das kann man nun auch nicht sagen. Der Altenberger Dom ist eben als Dom bekannt. Oder auch Bergischer Dom. Er ist sozusagen ein umgangssprachlicher Dom.«
    Der Fußweg führte an einem weißen, modernen Gebäude vorbei zu einer mit Kopfstein gepflasterten Brücke. Darunter floss ein breiter, aber flacher Bach. Die Dhünn.
    »Und hier sollen wir nun unseren Heiligen suchen. Bei dem es Gitter gibt. Mit Quadraten …«
    »Das ist leicht zu lösen. Gehen wir rein. Das ist immer ein besonderes Erlebnis.«
    »Bist du katholisch?«, fragte ich. »Ich meine … wo du doch Kirchenmusik hörst und so …«
    »Na, du stellst Fragen …«
    »Oder bist du Kunsthistorikerin?« Mir wurde klar, dass ich gar keine Ahnung hatte, was Wonne beruflich machte. Genau betrachtet wusste ich praktisch nichts über sie.
    »Was heißt hier oder? Es gibt auch katholische Kunsthistorikerinnen. Du darfst noch dreimal raten. Aber rate gut. Wer richtig rät, wird belohnt.« Es folgte ein unergründlicher Blick.
    Wir überquerten die Brücke und erreichten das eigentliche Klostergelände. Baumkronen beschatteten hübsche Natursteinmauern und niedrige Hecken. Rechts lagen lange, weiß leuchtende Gebäude.
    Wonne ging zur nächsten Hausecke und blieb dort vor etwas stehen, das ich zunächst für eine Gedenktafel hielt. Erst als ich näher kam, sah ich, dass es sich um ein metallenes Modell der ganzen Anlage handelte - aufgesetzt auf einen Stein und etwa so groß wie die Hälfte meines Küchentischs. Wie das echte Klosterareal wurde die Miniaturnachbildung ebenfalls vom Dom beherrscht. Die Dachkonstruktion erinnerte an winzige Rippen. Hier erkannte man auch, dass zur Domfront, wo sich der Eingang befand, eigentlich ein anderer Weg führte. Gegenüber befand sich noch ein langes Haus, das von einem kleinen Tor unterbrochen war. Ich stellte mich so, dass ich durch diesen Zugang auf den Dom sah.
    »Ja, das hat mich auch immer gewundert«, sagte Wonne, als hätte sie meine Gedanken gelesen. »Seltsam, dass man sich früher als Mönch oder Pilger von der Dhünn her dem Kloster genähert hat. Und nicht über den breiten Weg, den man heute nutzt.«
    »Das ist Bequemlichkeit. Die Leute wollen mit dem Auto an den Dom heranfahren«, sagte ich.
    »Vor Kurzem hat man eine Umgestaltung geplant. Sie wollten den Weg wieder so legen, dass man durch das Tor auf den Dom zukommt. Wie früher. Ist jedoch wieder gecancelt worden.«
    Versonnen ließ sie die Finger über das Modell gleiten. Als ihre Kuppen die Ränder berührten, bemerkte ich die Beschriftung, die in erhabenen Buchstaben hervorragte. Sie war nicht nur mit normalen Buchstaben geschrieben, sondern auch in Blindenschrift.
    »Die haben an

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