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Altenberger Requiem

Altenberger Requiem

Titel: Altenberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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ich etwas wagte.
    Bisher war alles nur Gerede gewesen. Kleine Andeutungen, über die man hinweggehen oder sogar lachen konnte. Ein bisschen Händchenhalten. Aber jetzt wurde es ernst.
    Und der Ort war perfekt.
    Es war ein klassischer Klarmach-Platz. Romantisch. Einsam.
    Wonne saß da und bewegte die Füße sanft im klaren Wasser.
    Ich betrachtete versonnen ihre rosa lackierten Zehen.
    Sie wartet, dachte ich, und der Gedanke hallte in meinem Kopf wider. Sie wartet darauf, dass du etwas tust.
    Sie zog die Knie an, und ihr Rock rutschte wieder ein wenig nach oben. Ein Moment der Reglosigkeit entstand, der mir endlos vorkam.
    Sie wartet.
    Tu es.
    Setz dich wenigstens neben sie.
    Doch dann war es zu spät. Sie stand auf, zupfte ihren Rock zurecht und sah mich an. Ihr Blick hatte etwas Bedauerndes.
    Das hatte mir noch gefehlt. Ich war schließlich der große Mordaufklärer. Der Mann, den sie bewunderte. Hatte sie das nicht selbst in Solingen gesagt?
    »Müde?«, fragte sie. »Bleib nur. Ich geh mal gucken, was es mit der Blume auf sich hat.«
    Ach ja, die Blume.
    Blumen im Wald? Und dann auch noch eine weiße? Gab es das?
    Sie marschierte los. Barfuß. Ihre Schuhe lagen immer noch neben mir am Ufer.
    Wie ein uneingelöstes Versprechen.
    Ich starrte sie an und ertappte mich dabei, wie ich mit dem Finger über die Innenseite strich.
    Als ich es bemerkte, zuckte ich zurück und sah mich um. Wonne war zum Rand der Lichtung gegangen. Dort lag quer ein Baumstamm, der das Unterholz wie eine Barriere von dem freien Areal trennte.
    Ich sah, wie sie sich bückte. Wahrscheinlich wuchsen dort die Pflanzen, um die es ging.
    Ich wandte mich ab und überlegte.
    Warum war das alles nur so schwer?
    Egal, wie emanzipiert und selbstständig die Frauen waren. Es kam doch darauf an, Atmosphäre zu schaffen. Die richtige Stimmung. Und darauf, als Mann wenigstens ein bisschen die Oberhand zu behalten. Die Frauen zu überraschen.
    Ich spürte einen Reflex in mir, der mich endgültig fertigmachte. Ich ertappte mich dabei, dass ich zum Handy greifen und Jutta anrufen wollte.
    Die einzige Frau, zu der ich ein so enges Verhältnis hatte, dass ich wagte, mit ihr über solche Dinge zu sprechen. Sie hätte mit Sicherheit genau gewusst, was zu tun war.
    Das durfte alles nicht wahr sein. Ich war durch den Wind, und das gründlich.
    Und während ich noch überlegte, wie ich wieder einen klaren Kopf bekommen konnte - zum Beispiel indem ich ihn in das zweifellos kühle Wasser der Dhünn hielt -, hörte ich aus Wonnes Richtung einen Schrei.

5. Kapitel
    Sofort war ich auf den Beinen und rannte los.
    Wonne stand über den Baumstamm gebeugt und wirkte, als müsse sie sich jeden Moment übergeben. Sie hielt die Haltung bei, als sie sich Schritt für Schritt rückwärts entfernte.
    »Remi«, keuchte sie heiser, als hätte ihr der Schrei die Stimme zerstört. »Schau dir das an.«
    Ein weiterer Schritt rückwärts, und sie strauchelte auf dem unebenen Waldboden. Ich fing sie auf. Ihr Körper wirkte hart und verkrampft, und ich spürte nichts mehr von der erotischen Energie, die vorhin noch zwischen uns geflossen war. Ich ließ sie sacht auf den Boden gleiten und nahm sie fest in den Arm.
    »Was ist los? Ist dir schlecht?«
    Sie streckte den Arm aus. »… da drüben.«
    Ich versuchte, von meiner Position aus etwas zu erkennen, denn ich wollte nicht weg von ihr. Ich konnte sie nicht schutzlos zurücklassen.
    »Schau nach.« Sie räusperte sich, hatte sich wieder gefangen und stützte sich ab, um aufzustehen. »Nun mach schon. Hinter dem Baumstamm.«
    Ich ging auf den quer liegenden Baum zu, der glatt und nackt wirkte. Die Holzfäller hatten die Rinde abgehobelt. Wahrscheinlich sollte der Stamm eine Art natürliche Sitzgelegenheit sein.
    Auf der Rückseite, dicht an das Holz gedrängt, lag etwas. Ich erkannte zunächst nur braunen Stoff. Ein Mantel. Auf der rechten Seite ragten daraus Beine hervor, die in festen Schuhen steckten. Links erkannte ich im Unterholz graubraunes Haar, daneben war ein heller Hautfleck zu sehen. Der Rücken war von dem Mantel bedeckt, der in der Mitte viel dunkler war als rundherum.
    »Sie ist tot, oder?«, sagte Wonne, die näher gekommen war.
    Ich war sicher, aber irgendwas in mir wollte jetzt den Experten spielen. So stieg ich auf die andere Seite von Baumstamm und Leiche und hockte mich hin, um die Tote genauer zu betrachten.
    »Wir müssen die Polizei verständigen«, sagte ich und suchte nach meinem Handy.
    Ich hatte es bei Juttas

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